iPad Air
Technisch nicht so spannend wie das iPad Pro, aber auch nicht gar so teuer: das neue iPad Air.
Brandtner/DER STANDARD

Ein wenig undankbar war die Ankündigung des neuen iPad Air schon: Erstmals seit dem Debüt 2013 wurde das Tablet von Apple gemeinsam mit dem iPad Pro vorgestellt. Dass der Auftritt gegenüber der Highend-Version ein wenig verblassen würde, war im Vorfeld schon absehbar. Beim Premiere-Event in London waren dann tatsächlich alle Augen auf das Pro gerichtet, und auch der Andrang beim Hands-On danach dementsprechend höher. Kein Wunder: Vollgepackt mit neuer Technik und einer leichten Bauweise wirkte es fast so, als würde Apple die besten Eigenschaften von Pro und Air in einem Gerät vereinen wollen.

Umgekehrt ist es aber so, dass auch im Air mehr Pro steckt, als man auf den ersten Blick annehmen würde. Nämlich ein Pro aus der letzten Generation. Eine von mehreren Annäherungen ist dabei gleichzeitig die größte Neuerung: Wer immer schon ein größeres Tablet haben wollte, aber vom Preis des Pro abgeschreckt wurde, könnte nun zum Air greifen. Die Modellreihe, die es bislang nur in einer Displaygröße von elf Zoll gab, ist jetzt auch mit einem 13-Zoll-Bildschirm verfügbar. DER STANDARD konnte sich das neue Air schon ein paar Tage lang ansehen, nach Stärken und Schwächen suchen und es mit anderen Modellen von Apple vergleichen.

Identitätsprobleme

Es mag zwar wie ein Systemfehler in der Modellreihe wirken, dass das Air dicker ist als das Pro, allerdings ist der eine Millimeter, den es stärker ist als das dünnste Pro, im Alltag locker zu verschmerzen. Bei der vorliegenden Elf-Zoll-Version ist das Gewicht von 462 Gramm im Vergleich zum Vorgänger aus dem Jahr 2022 unverändert geblieben. Der neue 13-Zöller stand zum Testen nicht zur Verfügung, laut Datenblatt bringt er 618 Gramm auf die Waage – beide Varianten sind also auch ein wenig schwerer als die jeweiligen Pro-Modelle.

iPad Air
An der Verarbeitung des iPad Air gibt es nichts auszusetzen. Die Gehäusefarbe Violett ist sehr dezent gehalten und wirkt bei Tageslicht eher wie Silber.
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Die Designsprache ist gleichgeblieben, das inkludiert die stärkeren Displayränder, die rasch in Vergessenheit geraten – was es weniger "luftiger" macht, ist lediglich der direkte Vergleich mit dem neuen Top-Modell. Die Verarbeitung ist hingegen sauber, und der Materialmix aus Aluminium und Glas lädt dazu ein, das Tablet ohne Hülle zu verwenden, weil es sich sehr angenehm anfühlt. Dann kommen die vier möglichen Gehäusefarben Space Grau, Blau, Violett und Polarstern auch besser zur Geltung. Gerade in der kleineren Elf-Zoll-Version lässt sich das Gerät auch sehr angenehm über einen längeren Zeitraum in einer Hand halten, etwa zum Lesen oder Filmschauen. Was passiert also, wenn ein iPad einmal nicht dünner wird? Es ist trotzdem noch dünn genug.

Gutes Display

Ja, aber gar kein OLED-Display? Nein, das ist beim iPad Air nicht vorhanden, irgendwie müssen die paar Hundert Euro Preisunterschied zum aktuellen Pro ja zustande kommen. Aber auch an dieser Stelle kann beruhigt werden: In beiden Versionsgrößen kommt ein vollständig laminiertes Liquid Retina IPS-Panel zum Einsatz, das mit bis zu 600 Nits und 264 ppi hell und scharf genug ist, um mit den meisten Situationen im Alltag zurechtzukommen.

iPad Air
Kein OLED, trotzdem mit sehr guter Bildqualität.
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Der wesentliche Unterschied zu den Displays, die in den älteren Pro-Modellen aus 2022 zum Einsatz gekommen sind, ist neben der höheren Helligkeit der XDR-Variante in der 13-Zoll-Version, dass die Bildwiederholrate nur 60 Hz statt 120 Hz beträgt. Dadurch erscheint beispielsweise das Bildschirmscrollen nicht so flüssig – aber auch das fällt nur im direkten Vergleich auf.

iPad Air
Von links nach rechts bei maximaler Helligkeit: das neue iPad Pro, das iPad Air und ein iPad Pro aus dem Jahr 2021.
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Was sich schon auch feststellen lässt: Der OLED-Bildschirm des Pro (links) ist nicht nur penetrant heller als das Display des Air (Mitte) und des alten Pro (rechts), der Kontrast ist aufgrund der Technologie knackiger, die Farben knallen mehr und Schriften erscheinen klarer. Das heißt im Umkehrschluss freilich nicht, dass sich das Display des Air nicht sehen lassen kann – im Gegenteil, die Bilder sollten für sich sprechen. Ein bisschen weniger spiegeln könnte der Bildschirm allerdings.

Durchschnittliches Kamerasystem

Beim Kamerasystem des iPad Air hat sich nicht viel getan: Die größte Neuerung besteht darin, dass die Frontkamera mit zwölf Megapixel wie beim Pro an die Längsseite des iPad gerutscht ist. Die neue Positionierung verbessert die Handhabung bei Videoanrufen, insbesondere wenn das Tablet in Kombination mit dem Magic Keyboard verwendet wird.

Die Kamera liefert auch klare Bilder und eine (subjektiv) akkurate Farbwiedergabe, dafür wirkt die Bildschärfe nicht immer auf dem Punkt. Es ist eben eine Tablet-Kamera. Tatsächlich ärgerlich an dieser Stelle ist, dass man die Gesichtserkennung Face ID beim Air auch weggespart hat, stattdessen muss man mit Touch ID auf der Einschalttaste des Geräts vorliebnehmen.

iPad Air
Auch wenn das Pro heuer gespart hat: Das Kamerasystem ist beim iPad Air noch einmal deutlich reduziert.
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Die Kamera an der Rückseite sorgt weder im Guten noch im Schlechten für Überraschungen. Sie ist ebenfalls mit zwölf Megapixeln ausgestattet und erzielt meistens passable Ergebnisse – selbst bei schlechteren Lichtverhältnissen. Gleichzeitig schafft es die Kamera auch nicht, sich besonders hervorzuheben. Explizit zum Fotografieren kauft man sich ein Tablet aber auch nicht, dafür ist die Qualität durchaus in Ordnung.

Läuft dahin

Das große Highlight des iPad Air ist sicherlich der M2-Chip, der 2022 noch den Pro-Modellen vorbehalten war. Im Kombination mit acht GB Arbeitsspeicher über alle möglichen Speicher-Optionen hinweg verspricht Apple damit einen Leistungsboost von knapp 50 Prozent im Vergleich zum M1.

Nicht weniger wichtig ist, dass die Akkuleistung nicht darunter leidet, tatsächlich waren im Test bei sehr gemischtem Anwendungsszenario (Benchmarks, Internet, Bildbearbeitung, Office, Streamen, Gaming) etwas mehr als zehn Stunden Laufzeit mit einer Akkuladung drin – im Normalfall sollte man bei intensiver Nutzung locker über den Tag kommen, in der Regel sollten es bei paralleler Nutzung mit anderen Geräten wohl eher zwei oder mehr sein.

iPad Air
Der Pencil Pro lässt sich auch für das iPad Air verwenden – und ist aufgrund der erweiterten Bedienmöglichkeiten durchaus zu empfehlen.
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Im Test konnte das neue Air beim 3DMark Wild Life Extreme einen Wert von 5893 Punkten bei durchschnittlichen 35,5 Frames erzielen. Im Vergleich dazu kam das neue Pro vor kurzem auf 8545 Punkte und 50,6 Bilder pro Sekunde. Geht man zwei Generationen weiter zurück, kommt ein vergleichbares Pro mit einer Bildschirmgröße von elf Zoll und M1-Chip (und 8GB RAM) nur noch auf 5134 Punkte und 30,7 Bilder pro Sekunde.

Der CPU-Benchmark von Geekbench zeichnet ein ähnliches Bild: Während das Air mit M2 auf einen Single-Core-Score von 1873 Punkten und einen Multi-Core-Score von 8595 Punkten kommt, waren es beim kleinen Pro aus dem Jahre 2021 lediglich 1705 bzw. 7324 Punkte. Das neue Pro fliegt mit dem M4 vergleichsweise davon: Hier wurden 2576 Punkt im Single- und 12.818 Punkte beim Multi-Core-Score erzielt.

Natürlich handelt es sich nur um einen synthetischen Benchmark, der das Leistungsspektrum der unterschiedlichen Geräte in Relation zueinander setzen soll. In der Praxis lässt sich ein M2 derzeit für die meisten Aufgaben ähnlich schwer in die Knie zwingen wie ein M4 – und auch ein M1 Chip macht noch eine ganz gute Figur, wenn kurze Zeitunterschiede in der Berechnung wenig Relevanz haben.

Neues und altes Pro im Zubehör

Was das Air im Übrigen auch näher an das Pro rückt, sind die Optionen beim Zubehör, die Apple anbietet. Dazu zählt in erster Linie, dass auch der neue Apple Pencil Pro mit dem Mittelklasse-Tablet kompatibel ist. Aber auch das Magic Keyboard der letzten Pro-Generation aus dem Jahr 2022 ist mit den neuen Air-Modellen kompatibel. Die neuen Funktionen des Apple Pencil Pro sind im Test des neuen iPad Pro nachzulesen.

iPad Air
Fühlt sich falsch an: Das Keyboard des Air kostet genauso viel wie das Keyboard des Pro, kann aber weniger.
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Während man beim Stift also gleichzieht, bleiben dennoch leichte Unterschiede zur neuen Tastatur des Pro. Diese verfügt nicht nur über ein schickeres Metall-Finish, sondern hat auch eine Funktionsleiste spendiert bekommen. Zudem ist das Tippgefühl beim alten Magic Keyboard zwar praktikabel, aber nicht so gelungen umgesetzt wie bei der neuen Version. Schade, denn sowohl das alte als auch das neue Magic Keyboard sind ab einer UVP von 349 Euro gleich teuer – das fühlt sich falsch an.

Konfigurationsspiele

Apropos teuer: Ein Schnäppchen ist das neue iPad Air immer noch nicht. Gemessen an technischen Spezifikationen und den Preisen des Vorgängers ist das neue Modell aber günstiger geworden. Kostete das iPad Air aus dem Jahr 2022 mit 64 GB noch ab 769 Euro, sind es jetzt mit doppeltem Speicherplatz "nur" noch 699 Euro. Hinzu kommt, dass eben auch ein besserer M-Chip verbaut ist. Das beste Preis-Leistungs-Verhältnis dürfte dem Tablet damit sicher sein – innerhalb des Ökosystems von Apple, versteht sich. Hochschaukeln lässt sich der Preis des Air in der Vollausstattung und mit 13 Zoll dennoch auf bis zu 1.749 Euro.

Zwar gibt es in Summe mangels Nanotexturglas nicht gar so viele Optionen wie beim Pro, tatsächlich sind es aber wegen der zwei Displaygrößen – unterschiedliche Gehäusefarben nicht mit einberechnet – immer noch 16 Varianten. Der Speicherplatz beginnt bei 128 GB, und ist auch noch in 256 GB, 512 GB oder 1 TB wählbar. Nicht zuletzt hat man die Option, für einen Aufpreis von 170 Euro von Wi-Fi (6E) auf Mobilfunk (eSIM only) und GPS upzugraden. Warum das Modul-Upgrade übrigens gleich 80 Euro weniger kostet als beim Pro, weiß nur Apple – den Air-Käufer dürfte es vielleicht freuen. Wieder etwas "gespart".

Fazit

Darf’s ein bisserl mehr sein als das Air? Eigentlich nicht. Die überwiegende Mehrheit der Neukäuferinnen und Neukäufer dürfte mit dem neuen Tablet ausreichend Leistung und ein insgesamt rundes Paket bekommen, um vom größten Vorteil der iPads zu profitieren: der jahrelangen Nutzbarkeit, wenn man sich einmal eines gekauft hat. Das ist ironischerweise auch der Grund, weshalb iPad-Besitzer der letzten zwei, drei Generationen wohl kaum über einen Wechsel nachdenken müssen. Im Fall des Air am ehesten noch wegen der neuen Displaygröße, sollte man darauf Wert legen.

Einerseits überrascht im Alltag die Nähe zum Pro: Das macht sich vor allem durch den M2-Chip bemerkbar, aber auch durch verbesserte Speicher- und weitgehend ähnliche Zubehöroptionen. Andererseits wiederum ist klar zu erkennen, dass Apple teilweise eine künstliche Differenzierung hergestellt hat. Am wenigsten nachvollziehbar bleibt in diesem Zusammenhang der fehlende Support von Face ID.

Für viele Interessenten könnte das Air letztendlich dennoch eine interessantere Alternative zum Pro sein, ohne allzu große Abstriche in Kauf nehmen zu müssen. Zum Einsteiger-iPad sowieso, weil Chip und Arbeitsspeicher beim Air wesentlich besser für die Zukunft gerüstet sind. Wer unsicher ist, sollte sich noch ein wenig Zeit lassen: Nach der WWDC im Juni und der dortigen Vorstellung neuer (KI-gestützter) Features könnte die Differenzierung zum Pro möglicherweise stärker ausfallen. Inwieweit das die Rechtfertigung für einen Preisunterschied von mehreren Hundert Euro beeinflussen kann, muss sich aber erst zeigen. (Benjamin Brandtner, 19.5.2024)