Touristinnen und Touristen in Hallstatt
Hallstatt im vergangenen September: Ein Selfie aus dem Salzkammergut ist ein günstiges Souvenir.
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Venedig hat es getan. Seit Donnerstag müssen Tagesbesucher der italienischen Stadt Eintritt bezahlen, vorerst bis 5. Mai. Fünf Euro werden fällig, wenn man die Lagunenstadt ohne Übernachtung besuchen will. Venedig will das Modell heuer an 29 Tagen testen. Wer ohne Ticket erwischt wird, muss 50 bis 300 Euro Strafe berappen.

Die venezianische Maßnahme steht im Zeichen des Overtourism, also des Übertourismus. Weil immer mehr Menschen auf Reise gehen, gerade aus Asien, wird es in einigen Städten und Dörfern zu voll. Barcelona, Amsterdam, Dubrovnik und eben Venedig gelten als solche Destinationen – der Gast als Last.

Die Massen sind zurück

Der Hype um weltweit wenige Städte, Bauwerke und Strände wird durch die sozialen Medien befeuert. Wenn auf Instagram immer dieselben attraktiven Orte gezeigt werden, wollen umso mehr Menschen dorthin.

"Es ist schon erstaunlich, wie schnell der Tourismus nach der Pandemie zurückgekommen ist", sagt der Tourismusökonom Oliver Fritz vom Wifo. Das betrifft auch Österreichs vermutlich am meisten besuchtes Dorf: Hallstatt im Inneren Salzkammergut. In der Ferienregion Dachstein-Salzkammergut zählten die vier Gemeinden Hallstatt, Obertraun, Gosau und Bad Goisern im Jahr 2023 wieder 1.042.000 Nächtigungen – nur knapp weniger als im Rekordjahr 2019 mit 1.058.000 Nächtigungen.

Will Hallstatts Bürgermeister Alexander Scheutz (SPÖ) deshalb wie in Venedig auch Eintritt verlangen? Er winkt ab. "Wir wollen uns nicht zum Museum machen. Wir sind ein lebendiger Ort mit einem gesellschaftlichen Leben und Vereinen", sagt Scheutz dem STANDARD. Gleichwohl kämpft der Bürgermeister mit dem Druck auf seine Gemeinde, den die Gästezahlen erzeugen – und weiß um die Unzufriedenheit vieler der rund 700 Bürgerinnen und Bürger.

Lösung verzweifelt gesucht

Was macht Hallstatt bereits? Die Gemeinde hat die Zahl der täglichen Reisebusse durch ein Slot-System begrenzt. Busunternehmen müssen ein Zeitfenster buchen und eine Gebühr von 90 Euro zahlen, sonst dürfen sie nicht parken. Das habe die Busse im Sommer von täglich 80 bis 90 auf 40 bis 45 reduziert, sagt Scheutz.

Außerdem ließ der Tourismusverband eine Kamera montieren, die Bewegungsdaten speichert, nicht aber Bilder. Nun wisse man, sagt Tourismuschef Christian Schirlbauer, dass Hallstatt in der Hochsaison 3000 bis 3500 Tagesgäste habe – nicht 10.000 Besucher, wie lokale Kritiker sagen.

"Wie man die Besucherzahlen in einem weiteren Schritt begrenzt, wissen wir noch nicht", räumt Bürgermeister Scheutz ein. Ein Projekt zur Besucherlenkung und -reglementierung sei im Laufen. Eine Idee sei, die Landesstraße temporär für Gäste zu sperren. Der Bürgermeister sagt, das gehe nur im Einvernehmen mit dem Land Oberösterreich. Eine Fußgängerampel nach dem berüchtigt verstopften Umfahrungstunnel von Hallstatt habe man bisher nicht bekommen, kritisiert der Sozialdemokrat: "Wenn die Gemeinde nicht einmal eine Ampel erhält, bin ich skeptisch, dass wir temporäre Sperren der Landesstraße bekommen."

Bootsausflug von Touristen auf dem Hallstätter See
Die Ausflugsboote auf dem Hallstätter See waren im vergangenen Sommer wieder gut gebucht.
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Keine Werbung in Asien

Die Werbung fürs Dorf-See-Berg-Paradies Hallstatt habe man reduziert, sagt Schirlbauer: "Wir haben die vier Kernmärkte Österreich, Deutschland, Tschechien und Holland. Die Werbung in China, Japan, Südkorea und auch Indien wurde auf null gefahren."

Was könnte Hallstatt noch machen? Viele Destinationen experimentieren mit Maßnahmen, die Touristenströme zu lenken. Städte können etwa neue Attraktionen in Außenbezirken schaffen oder aktuelle Wartezeiten vor Sehenswürdigkeiten online kommunizieren. In Dörfern wie Hallstatt ist die Umlenkung freilich schwieriger.

Touristen auf und vor der Rialtobrücke in Venedig
Trotz Registrierpflicht und fünf Euro Eintrittspreis verzeichnete Venedig am Donnerstag viele Besucherinnen und Besucher. "Ich entschuldige mich für die Unannehmlichkeiten, aber wir müssen etwas unternehmen", sagte Bürgermeister Luigi Brugnaro. Experten rechnen mit weiteren Schritten.
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Temporäre Sperren?

"Bei Venedig oder Hallstatt führt kein Weg daran vorbei, bestimmte Beschränkungen einzuführen", sagt Wifo-Forscher Fritz. Gerade den Zugang zu kleinen Orten könne man "zum Beispiel mit Drehkreuzen" beschränken und Touristen zusätzlich online informieren, bevor der Ort gesperrt werde.

Hallstatt ist aber keine Insel, an der Landesstraße hängt etwa auch die Gemeinde Obertraun. "Man könnte Kameras und Schranken installieren und Autonummerntafeln der Bewohner der Gemeinde und Nachbargemeinde registrieren", sagt Fritz. Wobei er durchaus verstehe, dass "die aktuelle Lösung in Hallstatt ein Kompromiss" sei. "Es gibt ja auch Gruppen, die keine Einschränkungen des Tourismus wollen."

Der Tourismusforscher Harald Pechlaner äußert bei Sperren auch grundsätzliche Bedenken: "Ich bin dagegen, dass man Menschen komplett ausschließt. Man kann vielleicht eine Höhle als Naturdenkmal sperren, aber es gibt einen Unterschied zwischen der Sperre eines Denkmals und jener eines ganzen Dorfs." (Lukas Kapeller, 27.4.2024)