Brücke Baltimore
Die Brücke wurde anscheinend so gebaut, dass das Versagen eines kritischen Bauteils den kompletten oder teilweisen Einsturz verursachen konnte.
via REUTERS/Peter Knudson/NTSB

Baltimore (Maryland) – Nach dem Einsturz einer großen Autobahnbrücke im Hafen der US-Stadt Baltimore haben Einsatzkräfte zwei Tote aus dem Wasser geborgen. Die Polizei des Bundesstaates Maryland teilte am Mittwochabend (Ortszeit) mit, Taucher hätten die Leichen der 26 und 35 Jahre alten Männer aus einem Pick-up-Truck in sieben Meter Tiefe gezogen. Bei den Toten soll es sich laut der "Washington Post" um zwei der sechs vermissten Bauarbeiter handeln.

Zwei Leichen nach Brücken-Einsturz in Baltimore geborgen
Nach dem Einsturz einer Autobahnbrücke in Baltimore sind die Leichen zweier Bauarbeiter geborgen worden.
AFP

Unterdessen wurde bekannt, dass sich an Bord des havarierten Frachtschiffs, das die Brücke zum Einsturz gebracht hatte, große Mengen gefährlicher Stoffe befinden. Das rund 290 Meter lange Containerschiff Dali hatte in der Nacht auf Dienstag einen Stützpfeiler der vierspurigen Francis Scott Key Bridge gerammt und das mehr als 2,5 Kilometer lange Bauwerk so zum Einsturz gebracht. Nach Angaben des Verkehrsministers von Maryland, Paul Wiedefeld, befanden sich zum Zeitpunkt des Unglücks acht Bauarbeiter auf der Brücke, um Schlaglöcher auszubessern. Zwei von ihnen wurden am Dienstag gerettet. Von den sechs anderen – die laut Polizei aus Mexiko, Guatemala, El Salvador und Honduras stammen – fehlte bisher jede Spur.

Fahrzeuge von Trümmern umschlossen

Bei den Toten, die nun gefunden wurden, handelt es sich um zwei dieser vermissten Bauarbeiter, wie die "Washington Post" unter Berufung auf deren Arbeitgeber berichtete. Die Behörden gehen davon aus, dass auch die anderen Vermissten tot sind und ihre Leichen vorerst nicht geborgen werden können. "Wir haben alle Suchbemühungen in der Umgebung dieses Einsatzorts ausgeschöpft", sagte Roland Butler von der Polizei von Maryland am Mittwochabend. Der Einsatz von Sonartechnik habe gezeigt, dass weitere ins Wasser gestürzte Fahrzeuge von Trümmern und Beton umschlossen und daher nicht zugänglich seien. Die Bedingungen im Wasser rund um die gewaltigen Trümmerteile seien inzwischen derart gefährlich, dass Taucher sich dort nicht mehr sicher bewegen könnten.

Zwar hatte die Schiffsbesatzung vor dem Zusammenprall noch einen Notruf abgesetzt, was vermutlich Leben rettete – denn Beamte an Land stoppten den Verkehr und verhinderten so, dass weitere Autos auf die Brücke gelangten. "Es nähert sich ein Schiff, das gerade steuerlos geworden ist", ist in einem im Internet veröffentlichten Audiomitschnitt der Polizei aus der Unfallnacht zu hören, "haltet den Verkehr auf der Key Bridge auf." Wenige Sekunden vor der Kollision kündigte einer der Beamten demnach an, auf die Brücke zu fahren, um die Arbeiter in Sicherheit zu bringen. Doch um 1.29 Uhr war das Unglück bereits geschehen: "An wen auch immer, an alle: Die ganze Brücke ist gerade eingestürzt."

Einsatzkräfte konzentrierten sich in den Stunden nach dem Unglück zunächst auf die Suche nach Überlebenden. Inzwischen sind jedoch auch intensive Ermittlungen zum Hergang des Unglücks angelaufen. Vertreter der für Transportsicherheit zuständigen US-Behörde NTSB gingen am Mittwoch erstmals an Bord des Frachters. Behördenchefin Jennifer Homendy stellte am Abend (Ortszeit) erste Details der Untersuchungen vor.

Kein Antrieb vor Kollision

Ermittler sicherten unter anderem den sogenannten Schiffsdatenschreiber. Dieser ist besonders wichtig für die Ursachenforschung. Den Aufzeichnungen zufolge meldeten Besatzungsmitglieder kurz vor der Kollision, dass der Frachter Probleme mit der Stromversorgung und keinen Antrieb mehr hatte. Wie es dazu kam, ist aber noch unklar. Homendy zufolge waren zum Zeitpunkt des Unglücks 23 Besatzungsmitglieder an Bord des Frachters. Zur Schiffsladung gehörten 56 Container mit gefährlichen Materialien, etwa ätzende oder entzündliche Stoffe, mit einem Gewicht von insgesamt 764 Tonnen. Einige der Gefahrgutbehälter seien beschädigt.

Homendy betonte, dass zunächst Informationen zusammengetragen würden, Schlussfolgerungen und Einschätzungen zur Ursache des Unglücks werde es erst später geben. Bei den Ermittlungen handele sich um eine "gewaltige Unternehmung", die viele Monate dauern dürfte. Ein erster vorläufiger Bericht solle aber in zwei bis vier Wochen präsentiert werden.

Die 1977 fertiggestellte Brücke sei vor dem Unfall in "zufriedenstellendem Zustand" gewesen, sagte Homendy. Die letzte grundlegende Inspektion habe im Mai 2023 stattgefunden. Allerdings sei die Brücke in einer Bauweise errichtet worden, bei der das Versagen eines kritischen Bauteils den kompletten oder teilweisen Einsturz verursachen konnte. Heutzutage würden andere Methoden zum Brückenbau bevorzugt. Als Teil der überregionalen Verkehrsader Interstate 695 überspannte die Francis Scott Key Bridge den Hafen der Ostküstenmetropole Baltimore. Homendy sagte, im Schnitt überqueren pro Tag mehr als 30.000 Fahrzeuge die Brücke. (APA, 28.3.2024)