Schild mit der Aufschrift
Zwischen 14 und 16 Jahre alt sind die drei Angeklagten, die in einer Wohngemeinschaft einen schweren Raub an der Betreuerin begangen haben sollen.
APA / GEORG HOCHMUTH

Wien – Wer sind eigentlich all diese kriminellen Jugendlichen, die derzeit Politik und Medien so beschäftigen? Mittwochvormittag kann man drei von ihnen vor einem Schöffengericht unter Vorsitz von Martina Hahn erleben: Das aus einem 14-, einem 15- und einem 16-Jährigen bestehende Trio ist wegen schweren Raubs angeklagt, bis zu siebeneinhalb Jahre Haft droht den Teenagern dafür. Zugleich erfährt man in dem Verfahren aber auch, wie komplex Biografien sein können.

Nachdem der renovierungsbedingte Baulärm eines Presslufthammers, der weder Kommunikation noch Konzentration zulässt, einen Saalwechsel vom ersten in den dritten Stock notwendig gemacht hat, erklärt die Staatsanwältin dem Senat, was den Angeklagten vorgeworfen wird. Sie sollen in der Nacht des 7. Februars die Betreuerin der städtischen Wohngemeinschaft, in der der 15-jährige Erstangeklagte untergebracht ist, überfallen und eine Handkassa mit über 2.570 Euro sowie die Mobiltelefone der Frau geraubt haben. Lange konnten sich die drei nicht über die Beute freuen: Sie wurden unmittelbar danach im Stiegenhaus eines nahen Wohngebäudes von der Polizei gefasst.

Wenig durchdachter Plan

Der Erstangeklagte, der die 31-jährige Betreuerin dabei auf eine Couch gestoßen und mit einer Schere bedroht hat, um an den Kassenschlüssel zu kommen, bekennt sich schuldig. Seine beiden Bekannten seien damals zu Besuch gewesen, aufgrund der Hausregeln hätten sie um 21.30 Uhr die Wohngemeinschaft verlassen müssen. Der Zweitangeklagte habe aber Hunger gehabt, also wollte er ihm Nudeln kochen und ins Stiegenhaus bringen, erzählt der Erstangeklagte. Es sei aber mit einem Mitbewohner zum Disput gekommen, also sei der 15-Jährige ohne Nahrung, aber mit einem Plan erschienen: "Wir werden die WG überfallen."

Zu dritt ging man retour, der Erstangeklagte nahm sich eine Schere, der 14-jährige Drittangeklagte ein Buttermesser, dann klopfte man an die Tür des Dienstzimmers. "Ich will das Geld", habe er der Betreuerin gesagt, berichtet der Erstangeklagte, ehe er mit ihr zu rangeln begonnen und sie in den Raum gedrängt habe. Als sie zum Handy greifen wollte, um die Polizei zu alarmieren, habe man ihr dieses weggenommen. Der Erstangeklagte fixierte die Frau auf der Couch, machte mit der Schere Stichbewegungen und sagte: "Ich mach nix, aber gib mir das Geld!", ehe er den Schlüssel für die Geldkassette an sich brachte.

Wer aber sind die Angeklagten nun? Alle drei haben mit der serbischen, polnischen und afghanischen unterschiedliche Staatsangehörigkeiten, sind jedoch alle in Österreich geboren und aufgewachsen. Alle drei waren bereits zumindest kurzfristig in Krisenzentren untergebracht. Alle sind Kinder von Alleinerzieherinnen.

Vorstrafe wegen Feuerlöscherbenutzung

Der Erstangeklagte ist Schüler und bereits vorbestraft – nur fünf Tage nach dem nun verhandelten Delikt wurde er wegen schwerer Sachbeschädigung zu einem Monat bedingt verurteilt: Er hatte den Feuerlöscher der WG benutzt, ohne dass es gebrannt hätte. Die Jugenderhebungen ergaben bei ihm folgendes Bild: Bereits als Kleinkind wurde er wegen des gewalttätigen Vaters fremduntergebracht, seine Eltern ließen sich scheiden, als er sechs Jahre alt war. Es folgten weitere Aufenthalte in Krisenzentren und anderen Einrichtungen, immer wieder sei es dort zu Konflikten mit den Betreuern gekommen. Im Spätsommer zog er zurück zu seiner leiblichen Mutter – bis diese am 25. Oktober verstarb und er retour in die WG kam.

"Ich fand es dort nicht sehr gut und habe mich nicht wohlgefühlt. Lebensmittel werden sehr oft geklaut", verrät der Erstangeklagte dem Gericht. Der Jugendgerichtshilfe erzählte er, es sei ohnehin egal, was er mache, er habe nichts mehr zu verlieren. Auch dem Staatsschutz ist er bekannt, er wollte der Terrororganisation "Islamischer Staat" beitreten, bei ihm wurden "fortgeschrittene Radikalisierungstendenzen" festgestellt.

Übergroßes Interesse an Kriminalität

Andererseits sei sein faktisches Wissen über den Islam und die Ziele der islamistischen Terroristen gering, er sei leicht beeinflussbar. "Für alles, Hauptsache es hat mit Kriminalität zu tun", ist in der Jugenderhebung zu seinen Interessen vermerkt. Die im Saal anwesende vorläufige Bewährungshelferin spricht ihn direkt an und stellt fest, was ihr bei den Besuchen bei ihm in der Untersuchungshaft Sorgen bereitet: "Dass du überhaupt keine Empathie für das Opfer gezeigt hast" – und deshalb regt sie die Weisung für eine Psychotherapie und die Teilnahme an einem Deradikalisierungsprogramm an, was der Erstangeklagte auch akzeptieren würde. Auch in der Justizanstalt war der Jugendliche in eine Rauferei verwickelt, entnimmt Vorsitzende Hahn dem Akt.

Die Zweit- und Drittangeklagten sagen, sie hätten ebenfalls eine "schwere Zeit" gehabt. Beide seien immer wieder abgängig gewesen, beide behaupten, dass ihre Mütter sie in der Tatnacht nicht zurück in die jeweilige Wohnung gelassen hätten, daher seien sie in die WG zu ihrem Bekannten gekommen. Der arbeitslose 16-Jährige und der 14-Jährige Schüler wollen wenig über ihre Hintergründe verraten. Er habe "schlechte Freunde" gefunden, sagt der Jüngere. Der Zweitangeklagte, für den der erste am 7. Februar das Essen kochen wollte, sagt zum Tatabend: "Ich war halt hungrig, ich wusste nicht, wo ich hingehen sollte."

"Noch keine Kriminellen"

"Wir haben noch keine Kriminellen, durchüberlegt war das alles wirklich nicht", tut Wolfgang Haas, Verteidiger des Drittangeklagten, im Schlussplädoyer seine Meinung kund. Allein die Tatsache, dass das Opfer ja den Erstangeklagten aus der Wohngemeinschaft kannte, zeigt für ihn, dass es eher eine Kurzschlusshandlung gewesen sein müsse.

Gemeinsam wünschen sich die Rechtsvertreter Urteile, die nicht in Strafregisterbescheinigungen aufscheinen – bei Jugendlichen wären das sechs Monate. Ein Wunsch, der nur dem Zweitangeklagten, der damals unbewaffnet gewesen ist, in Erfüllung geht. Er kommt mit diesem halben Jahr bedingt davon. Der Drittangeklagte erhält neun Monate bedingt. Bei dem Erstangeklagten geht es um eine sogenannte "Bedachtnahme", er wird also zu einer Gesamtstrafe mit dem einen Monat bedingt aus der ersten Vorstrafe verurteilt. Elf Monate kommen somit dazu, die Gesamtstrafe beträgt daher ein Jahr bedingt. Zusätzlich erhalten alle drei Bewährungshilfe, der Erstangeklagte muss zusätzlich noch das Deradikalisierungsprogramm und eine Therapie absolvieren.

Während das Trio mit der Entscheidung einverstanden ist, gibt die Anklägerin keine Erklärung ab, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 27.3.2024)