Baby mit älterer Frau
Erst im Laufe der Monate und Jahre begreifen Kinder, dass andere Menschen anders empfinden und andere Dinge wissen als sie selbst.
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Erst ab dem zweiten bis fünften Lebensjahr begreifen Menschenkinder allmählich, was in den Köpfen anderer vorgeht. Sie entwickeln eine Vorstellung davon, wer sie selbst sind, erkennen sich im Spiegel und erfassen, dass andere Menschen nicht unbedingt über das gleiche Wissen verfügen wie sie. Fachsprachlich geht es hier um das Konzept der Theory of Mind: Wenn meine Freundin das Zimmer verlässt und ich währenddessen Kekse auf einem Regal verstecke, weiß sie das nicht und sucht vielleicht im Kühlschrank oder in meiner Tasche danach. Fremde Handlungen können vorhergesagt werden, weil man die Ursache – das Nichtwissen um das Keksversteck – versteht.

Hier gibt es auch eine Schnittmenge zur Empathie, also zur Fähigkeit, sich in die Gefühlswelt anderer hineinzuversetzen. Etwa die Verwirrung und Traurigkeit darüber, dass die Kekse weg sind und man um den Genuss der Süßigkeit gebracht wurde. Eine interessante Studie zu dem Thema – allerdings ohne Kekse – liefert nun die Ludwig-Maximilians-Universität München: Bereits im Alter von 18 Monaten zeigen Kinder Mitgefühl für andere. Die Studie wurde im Fachjournal "Cognitive Development" veröffentlicht.

Die jungen Testpersonen ließen durch ihre Mimik oder durch Äußerungen erkennen, dass sie vom Leiden eines anderen Menschen berührt werden, wie aus einer Mitteilung der Hochschule vom Dienstag hervorgeht. Wie empathisch Kinder reagieren, hängt demnach aber von der Feinfühligkeit ihrer Bezugspersonen ab.

Beobachteter Schmerz

Je feinfühliger die Mütter in der Studie auf die Bedürfnisse ihrer Kinder eingingen, desto besser waren die Kinder schon im zweiten Lebensjahr in der Lage, mit Fremden Mitgefühl zu zeigen. Mitgefühl wird also sozial erworben. Um Mitgefühl zu erfahren, muss ein Kind vor allem zwischen seinem Selbst und einem anderen Menschen unterscheiden können. Diese Fähigkeit entsteht erst im Lauf des zweiten Lebensjahres.

Für die Studie beobachtete ein Team von Forschenden 127 Mutter-Kind-Paare über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren bei Verhaltensexperimenten. Zu vier unterschiedlichen Zeitpunkten wurden in spielerischen Situationen Zeichen des Mitgefühls der Kinder erfasst. Dabei beobachteten die Kinder, wie sich eine andere Person leicht anstieß und Schmerzen empfand. Verglichen wurde die Reaktion der Kleinen mit ihrem Verhalten, wenn sie sahen, wie eine andere Person lachte. (APA, red, 26.3.2024)