Ein Feldhase im Gras
Hallo Hase! Die seitlichen Augen verschaffen dem Feldhasen ein großes Sichtfeld. (Belichtungszeit 1/640 Sek., Blende f8, Lichtempfindlichkeit ISO 1250, Brennweite 280 mm am APS-C-Sensor entspricht einer Bildwirkung von 420 mm umgerechnet aufs Kleinbildformat)
Michael Simoner

Kennen Sie Häschenwitze? Das sind die mit einer Hattu-Frage (Hast du ...?) und einer Muttu-Antwort (Musst du ...). Die meisten dieser Witze sind flacher als ein Flachmann. Beispiel: "Hattu Faltenrock? Muttu bügeln." Irgendwann sind die schnellen Sprüche aus Deutschland zu uns geschwappt und wurden manchmal im Radio mit einer Mickymaus-Stimme aus dem Heliumluftballon vorgetragen. Gibt's Gott sei Dank längst nicht mehr? Na dann googeln Sie einmal "Häschenwitze" oder fragen die KI-Assistenz danach. Spoiler: Es gibt auch einen interessanten historischen Hintergrund (mehr dazu weiter unten).

Natürlich ist es kein Zufall, dass wir hier von Häschen sprechen. Ostern pumpert schon wieder an die Tür, und Hasen haben Hochsaison. Der Feldhase (Lepus europaeus), der uns regelmäßig im Garten besucht, hat sich schon ein paar Wochen nicht mehr blicken lassen. Wir wissen nicht, ob er im Osterhasenbusiness ist. Sicherheitshalber haben wir mal leere Osternester draußen deponiert.

Große Augen, lange Löffel

Im Mai vorigen Jahres sind der Feldhase und ich uns völlig unerwartet sehr nahe gekommen. Er saß in einer Sasse unter einer Gartenhecke, als ich auf Fototour vorbeipirschte. Wir erstarrten beide, ich setzte meinen Fürchte-dich-nicht-Blick auf. Den konnte er aber vermutlich gar nicht sehen, denn Hasen bräuchten eigentlich eine Nahsichtbrille. Auf kurze Distanz erkennen sie ähnlich wenig wie ich (2 Dioptrien) und verharren im Vertrauen auf ihre Tarnung relativ lange, bis der Fluchtinstinkt greift. In der Mähsaison wird dieses Zögern vor allem jungen Hasen leider häufig zum Verhängnis.

Erkennen sie die Gefahr schon von weitem, wissen sie aber, wie der Hase läuft. Ihre Augen sind sehr weit außen am Kopf angesiedelt, das verschafft ihnen einen Panoramablick. Und mit ihren langen Löffeln verfügen Feldhasen über ein weitreichendes Abhörsystem, von dem Spione nur träumen können. Die Ohren sind außerdem eine Art Klimaanlage, in der das Blut gekühlt und damit die Körpertemperatur geregelt werden kann.

Unterscheidung von Kaninchen

Berühmt sind Hasen für ihre Haken, die sie auf der Flucht schlagen können, um Fressfeinden zu entkommen. Im Sprint können sie bis zu 70 Stundenkilometer erreichen. Dabei setzen sie ihre langen Hinterbeine immer paarweise vor die vorderen, kürzeren Beine, was ganz typische Spuren hinterlässt. In der langsamen Gangart können sie nur hoppeln.

Ein weitverbreiteter Irrtum ist, dass Hasen Nagetiere sind. In Wahrheit gehören die Vegetarier jedoch zur Ordnung der Hasenartigen. Genauso wie Wildkaninchen, die aber viel kleiner als Feldhasen sind, kürzere Ohren haben und Gänge im Erdreich bauen. Schon bei der Geburt gibt es wesentliche Unterschiede: Hasen kommen mit Fell zur Welt und sind Nestflüchter, Karnickelbabys sind nackt und Nesthocker. Die Tragzeit ist bei beiden Säugetieren mit 32 Tagen (Kaninchen) und 42 Tagen (Feldhasen) sehr kurz.

Außergewöhnlich ist, dass die Häsin noch während der Tragzeit erneut trächtig werden kann. Das bedeutet, dass sich in ihrer Gebärmutter Embryonen unterschiedlicher Entwicklungsstadien befinden können. Fachleute sprechen von Superfötation. Pro Jahr gehen sich drei bis vier Würfe aus. Hasen sind also völlig zu Recht ein österliches Fruchtbarkeitssymbol. Der erste Nachwuchs im heurigen Jahr ist übrigens schon da, Februarhäschen sind keine Seltenheit. Tierschutzorganisationen appellieren, kleine Hasen, die man in der Natur findet, nicht mitzunehmen. Die Hasenmutter säugt den Nachwuchs nur alle paar Stunden, in der Zwischenzeit müssen die Babys selbst über die Runden kommen. Nur verletzte Tiere brauchen unsere Hilfe.

Politischer Witz aus der DDR

Und jetzt zur angekündigten Ehrenrettung der Häschenwitze: In den 1970er-Jahren wurde damit in der damaligen DDR die Mängelwirtschaft der kommunistischen Diktatur aufs Korn genommen. Als Prototyp gilt laut "Spiegel" dieser Witz: Häschen fragt in der Apotheke in Ostberlin: "Hattu Möhren?" Der Apotheker verneint. Nach einigen Tagen mit dem gleichen Dialog hängt der Apotheker genervt ein Schild ins Fenster: Möhren ausverkauft. Meint das Häschen: "Hattu doch Möhren gehabt."

Es ging aber noch systemkritischer: Häschen fragt im Plattenladen: "Hattu Schallplatten von Wolf Biermann?" "Nein." Wenig später wird der Verkäufer abgeführt. "Hattu doch Biermann-Schallplatten gehabt." Was heute harmlos klingt, bezeichnete die gefürchtete Stasi in der DDR als staatsfeindlich. Doch der zivile Ungehorsam legte der Obrigkeit ein Ei nach dem anderen. In diesem Sinne: Fröhliches Eierpecken! (Michael Simoner, 27.3.2024)

Ein Feldhase im Gras
Hasen sind nachtaktiv. Osterhasen wahrscheinlich auch. Tagsüber sitzen sie meistens wachsam in einer Sasse. (1/320 Sek., f7.1, ISO 1250, 500 mm APS-C)
Michael Simoner
Nahaufnahme eine Feldhasen
Unser Gartengast blieb relativ lange gelassen ... (1/640 Sek., f8, ISO 1250, 500 mm APS-C)
Michael Simoner
Feldhase im Garten
... bevor er hinter den Falschen-Jasmin-Strauch hoppelte. (1/320 Sek., f6.3, ISO 1250, 500 mm APS-C)
Michael Simoner