Bei den meisten Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHs) ist der 31. Dezember der Stichtag für den Jahresabschluss. Nach dem Gesetz ist bei Kapitalgesellschaften der Jahresabschluss für das vorangegangene Geschäftsjahr in den ersten fünf Monaten des nachfolgenden Geschäftsjahres aufzustellen. Im Normalfall ist das daher der 31. Mai des Folgejahres. Bis zu diesem Zeitpunkt müssen die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer einer GmbH jedem Gesellschafter ein Exemplar samt Anhang und gegebenenfalls auch samt Lagebericht übermitteln. Besteht ein Aufsichtsrat, hat auch dieser ein Exemplar zu erhalten.

Beauftragung einer externen Steuerberatungskanzlei

Fast immer sind Steuerberaterinnen und Steuerberater mit der Erstellung des Jahresabschlusses betraut. Dennoch bleiben die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer für die Einhaltung dieser Frist rechtlich verantwortlich. Und zwar auch solche, die nach einer allfälligen internen Geschäftsverteilung für das Rechnungswesen gar nicht zuständig sind.

Längstens bis zum Ende des achten Monates des neuen Geschäftsjahres muss der seit Ende Mai vorliegende Jahresabschluss dann mit Gesellschafterbeschluss genehmigt werden – im Juristensprech "Feststellung" genannt. Bis Ende des neunten Monats ist dann eine – allerdings nur verkürzte – Version des Jahresabschlusses zum Firmenbuch einzureichen.

Kalenderblatt 31. Mai
Der Jahresabschluss ist bis zum 31. Mai des Folgejahres aufzustellen.
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Schon die erste Frist, also die Fünf-Monats-Frist, innerhalb der der Jahresabschluss von der Geschäftsführung fertig aufgestellt und den Gesellschafterinnen und Gesellschaftern übermittelt sein muss, wird in der Praxis kaum eingehalten. Dies liegt oft schon daran, dass die beauftragten Steuerberatungskanzleien aufgrund der Vielzahl ihrer Mandantinnen und Mandanten faktisch gar nicht in der Lage sind, für alle von ihnen vertretenen GmbHs diese gesetzliche Frist einzuhalten.

Zudem fehlt es nicht selten auch am notwendigen Problembewusstsein. Oft wird nur die Neun-Monats-Frist für die Offenlegung zum Firmenbuch im Auge behalten. Dafür sorgen schon die von Firmenbuchgericht bei Verletzung der Offenlegungsfrist verhängten Zwangsstrafen.

Andere Fristen im Steuerrecht

Auch aus Sicht des Steuerrechts ist es für Steuerberaterinnen und Steuerberater gar nicht notwendig, die vom GmbH-Gesetz vorgegebene, kurze fünfmonatige Frist einzuhalten. Steuerberatungskanzleien haben nämlich die Möglichkeit, mit der Einreichung der Abgabenerklärungen ihrer Klientinnen längere Zeit zuzuwarten, um Arbeitsspitzen zu vermeiden und ihren Arbeitsanfall möglichst gleichmäßig verteilen zu können.

Diese längeren Fristen im Offenlegungs- und Steuerrecht sind wohl der Hauptgrund, warum die viel kürzere gesellschaftsrechtliche Aufstellungsfrist regelmäßig unbeachtet bleibt.

Haftungsfolgen

Aus Sicht eines Geschäftsführers oder einer Geschäftsführerin ist die verspätete Aufstellung des Jahresabschlusses und Übermittlung allerdings höchst problematisch. Die Nichteinhaltung der Fünf-Monats-Frist stellt im Innenverhältnis, also gegenüber der eigenen Gesellschaft sowie gegenüber den Gesellschafterinnen und Gesellschaftern, eine Pflichtverletzung dar. Da es sich bei dabei um eine "Kardinalspflicht" handelt, kann darin unter Umständen sogar ein Abberufungsgrund gesehen werden.

Auch eine persönliche Haftung ist nicht ausgeschlossen, wenn die Geschäftsführer beziehungsweise Geschäftsführerinnen nicht dafür sorgen, dass der Jahresabschluss rechtzeitig aufgestellt wird. Denn wer Jahresabschlüsse, zu deren Erstellung er oder sie verpflichtet ist, gar nicht oder so spät erstellt, dass ein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der GmbH erheblich erschwert wird, kann sich wegen grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen strafbar machen. Auch ein zivilrechtliches Haftungsproblem wegen Insolvenzverschleppung ist denkbar.

Zurückhalten des Jahresabschlusses im Gesellschafterstreit

Herrschen in der Gesellschaft Konflikte und Streitigkeiten, kommt es zuweilen auch dazu, dass die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer – vor allem wenn sie selbst auch an der Gesellschaft beteiligt sind – die Herausgabe des Jahresabschlusses an einzelne ihnen lästige Mitgesellschafter bewusst vereiteln oder verzögern. In diesem Fall hat jeder betroffene Gesellschafter beziehungsweise jede Gesellschafterin das Recht, bei Gericht einen Antrag auf zwangsweise Durchsetzung ihres Anspruchs auf Übermittlung des Jahresabschlusses zu stellen. Zuständig ist das Firmenbuchgericht der Gesellschaft. Der Antrag kann schon am ersten Tag nach Ablauf der fünfmonatigen Aufstellungsfrist eingebracht werden.

Geschäftsführern und Geschäftsführerinnen, die im Fall einer solchen gerichtlichen Geltendmachung durch einen Gesellschafter oder eine Gesellschafterin im Gerichtsverfahren Einwendungen erheben und deren Herausgabeanspruch bestreiten, sind in aller Regel schlecht beraten. Praktisch sind nämlich kaum relevante Gründe denkbar, die gegen den Anspruch der Gesellschafter, den Jahresabschluss rechtzeitig zu erhalten, eingewendet werden könnten. Denn nach der Judikatur müssen der Geschäftsführer beziehungsweise die Geschäftsführerin nachweislich alles unternommen haben, um die rechtzeitige Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten zu gewährleisten.

Wird die Gesellschaft in der Folge vom Gericht zur Aufstellung und Übermittlung des Jahresabschlusses verurteilt, muss die GmbH auch noch die Verfahrenskosten zahlen. Waren die von der GmbH im Gerichtsverfahren erhobenen Einwendungen nicht zielführend, was in der Regel der Fall sein wird, haftet der Geschäftsführer beziehungsweise die Geschäftsführerin der eigenen GmbH auf den Ersatz der angefallenen Verfahrenskosten. Nicht erst dann läuft ein solcher Geschäftsführer beziehungsweise eine solche Geschäftsführerin ernstlich Gefahr, aus wichtigem Grund des Amtes enthoben zu werden.

Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern ist daher auf jeden Fall zu empfehlen, die gesetzliche Fünf-Monats-Frist für die Aufstellung und Übermittlung des Jahresabschlusses zu beachten. (Lukas Fantur, 25.3.2024)