Ein junger Mann sitzt mit anderen Menschen im Büro und reibt sich die Augen.
Wenn man im Büro trockene Augen bekommt, kann das an zu trockener Luft liegen. Von schlechter Luft bekommen viele auch Kopfschmerzen oder Konzentrationsprobleme.
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Die optimale Lüftungsdauer, bei wem es am meisten zieht und warum die Klimaanlage so unfair verteilt auf die Köpfe bläst: Die Luft im Büro sorgt für viel Gesprächsstoff und auch Unmut. Das Temperaturempfinden ist dabei höchst individuell: Während die eine Kollegin sogar im Sommer mit dicker Weste im Büro sitzt, will der andere Kollege auch bei Minusgraden ständig das Fenster aufreißen.

Ob warm oder kalt: Wichtig ist saubere Luft am Arbeitsplatz – und auch in den eigenen vier Wänden. Immerhin verbringen die Österreicherinnen und Österreicher im Schnitt rund 90 Prozent ihrer Lebenszeit in Innenräumen, zu Hause, beim Sport, im Supermarkt oder eben im Büro.

Wer aber lange in stickigen Räumen sitzt, wird schnell müde und kann sich schlechter konzentrieren. Doch nicht nur die Arbeitsleistung sinkt, schlechte Luft kann auch gesundheitliche Auswirkungen haben. Aber was ist überhaupt schlechte Luft im Büro, und woher kommt sie?

Mensch als Hauptquelle

Erwachsene atmen täglich etwa zwölf bis 24 Kilogramm Luft ein und aus. Luft ist ein Gasgemisch, das zu 78 Prozent aus Stickstoff und zu knapp 21 Prozent aus Sauerstoff besteht. Der Rest verteilt sich auf andere Gase wie Kohlenstoffdioxid (CO2). Schlechte Luft ist, wenn zum Beispiel der Stickstoff- oder CO2-Anteil ansteigt oder andere Schadstoffe die Luft verschmutzen.

"Die primäre Quelle für schlechte Luft in Innenräumen ist der Mensch, durch das CO2, das er ausatmet" sagt Peter Tappler. Er ist Sachverständiger für Innenraumanalytik und beschäftigt sich seit über 35 Jahren mit der Luftqualität in Räumen. "Bei höheren CO2-Werten in der Luft bekommen viele Kopfweh, das beeinflusst die Leistungsfähigkeit", weiß er.

Aber nicht nur Kolleginnen und Kollegen verschlechtern die Luftqualität. Auch Büromaterialien, Klebstoffe im Fußbodenbelag oder Feuchteabdichtungen in den Wänden können Gase in die Luft abgeben und sie damit verschmutzen. Die meisten dieser Gase sind flüchtige organische Verbindungen (VOCs).

Einer der bekanntesten flüchtigen Stoffe ist Formaldehyd, das in Möbeln und Wandfarben vorkommt. Formaldehyd kann auch in geringen Mengen schon Augen, Nase und Rachen reizen und verbreitet in hoher Konzentration einen stechenden Geruch. Es gilt sogar als krebserregend.

Wenn sich das Büro in der Nähe einer dichtbefahrenen Straße befindet, kann außerdem Feinstaub in die Büroräume gelangen. Diese Partikel irritieren die Atemwege und können auch das Herz-Kreislauf-System angreifen, wenn sie sich im Körper festsetzen. Die Hauptquellen im Freien sind Verbrennungsprozesse, Reifenabrieb oder Baustellen. "Büros an großen Straßen benötigen unbedingt eine Lüftungsanlage mit Feinstaubfilter“, sagt Tappler.

Alle zwei Stunden lüften

Solche Filter können sogar ultrafeine Partikel, die sonst die oberen Atemwege passieren und direkt in die Lunge eindringen, herausfiltern. Sie schützen außerdem Allergikerinnen und Asthmatiker vor Pollen und Luftschadstoffen. Dazu sparen sie im Vergleich zum Lüften über die Fenster Energie, denn im Winter bleibt die warme Luft im Gebäude, während im Sommer keine heiße Luft von draußen heruntergekühlt werden muss.

"Aus psychologischen Gründen hat es aber einen Vorteil, wenn man weiterhin die Fenster öffnen kann. Viele Menschen wollen die Möglichkeit haben, selbst zu entscheiden, wann sie Außenluft brauchen", sagt Tappler – auch wenn das ein gewisses Konfliktpotenzial unter Kolleginnen und Kollegen beinhaltet. Schließlich wollen nicht alle das Fenster gleich lange geöffnet haben.

Es gibt aber eine Daumenregel für Büros mit Fenster und die unterschiedlichen Hände, die sie bedienen: "Ab zwei Personen im Raum sollte man alle zwei Stunden fünf Minuten Stoßlüften", erklärt Tappler. Damit kann sich die Innenraumluft mit – hoffentlich sauberer – Luft von außen vermischen, die Konzentration von Schadstoffen sinkt.

"Sick-Building-Syndrom"

Kämpfen mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Husten, gereizten Augen oder Konzentrationsverlust, und tun sie das nur, wenn sie im Büro sitzen, ist das ein starkes Zeichen für schlechte Luft. "Wenn das Raumklima nicht passt, kann schon mal ein ganzes Büro Beschwerden entwickeln", erzählt Tappler.

Tatsächlich gibt es das Phänomen, dass Menschen, die im selben Gebäude Zeit verbringen, unspezifische Krankheiten entwickeln, vor allem in neuen Bürogebäuden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat dafür bereits im Jahr 1987 den Begriff "Sick-Building-Syndrom" etabliert. Der Ausdruck beschreibt dabei ein Phänomen, keine Diagnose, betont Innenraumanalytiker Tappler: "Diagnostisch ist dieser Begriff wertlos, es gibt immer konkrete Ursachen, und wir werden immer besser darin, diese zu finden."

Die Luftfeuchtigkeit ist so ein Grund. Sie kann Beschwerden auslösen, wen sie zu niedrig ist, aber auch, wenn sie zu hoch ist. Vor allem im Winter reizt trockene Luft die Schleimhäute. Ist sie zu feucht, fördert das wiederum die Schimmelbildung. Menschen mit einer Schimmelsporenallergie reagieren dann oft sehr stark mit Augenirritationen oder heftigem Husten.

Dass Teppichböden Allergien fördern, ist allerdings ein Mythos. "Die Art des Bodenbelags ist egal, solange er gut gereinigt wird", sagt Tappler. Oft spielt auch hier die psychologische Komponente eine Rolle: Manche Menschen empfinden einen Raum mit Fließenboden als sauberer.

Gefahr aus dem Keller

Eine reale Gefahr sind hingegen radioaktive Substanzen. Sie können weitaus mehr gesundheitliche Schäden anrichten als CO2 oder flüchtige Gase. Ein wichtiger, aber wenig bekannter Wert für eine gesunde Raumluft ist der Radon-Gehalt. "Radon ist ein stark krebserregendes Gas, das im Boden vorkommt und über den Keller oder die Wände in das Gebäude kommt", erklärt Tappler. In Österreich sind einzelne Gebiete unterschiedlich schwer betroffen. In sogenannten Radonschutzgebieten sind Arbeitgeber verpflichtet, regelmäßig die Radonwerte messen zu lassen. Solche Hotspots sind zum Beispiel das Tiroler Ötztal oder Teile des Wald- und Mühlviertels.

Der gesetzlich geregelte Grenzwert für Radon beträgt 300 Becquerel pro Kubikmeter. Auch für die andere Schadstoffe gibt es solche gesetzlichen Richtwerte. Der CO2-Gehalt darf in Büroräumen zum Beispiel durchschnittlich 1.000 Parts per Million (ppm), das ist die Anzahl der Teilchen pro eine Million Luftteilchen, nicht überschreiten. Laut dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass "ausreichend zuträgliche Atemluft vorhanden" ist.

Schlechte Luft riecht man

Und wie ist das zu Hause? "Dort gilt eigentlich das Gleiche wie im Büro", sagt Innenraumanalytiker Tappler. Also: regelmäßig lüften und beobachten, ob in den eigenen vier Wänden Atembeschwerden oder Husten auftauchen.

Durch die Feuchtigkeit aus dem Bad ist allerdings das Schimmelrisiko höher. "Wer im Schlafzimmer zu husten beginnt oder Halskratzen bekommt, sollte sich ganz genau anschauen, ob nicht irgendwo ein Schimmelfleck an der Wand ist", empfiehlt Tappler. Der Schlafbereich ist lufttechnisch gerade deswegen schwierig, weil man dort in der Nacht eben nicht alle zwei Stunden aufstehen und lüften kann.

Eine andere Quelle für schlechte Luft in der Wohnung ist Kochen. Es sorgt für Feinstaub und Feuchtigkeit. "Dunstabzugshauben mit Fett- und Aktivkohlefilter halten die Luft beim Kochen sauber. Leider ist das in vielen Wohnungen aber nicht der Standard", sagt Tappler. Gasherde ohne Dunstabzugshaube sind besonders problematisch, da sie Formaldehyd, CO2 und Stickoxide in die Raumluft abgeben. Hier ist Lüften während oder nach dem Kochen besonders wichtig.

Sowohl zu Hause als auch im Büro spürt man übrigens oft intuitiv, ob die Luft sauber ist. "Man erkennt die Qualität der Luft am besten, wenn man in den Raum kommt" sagt Tappler. Nicht alle gefährlichen Stoffe kann man riechen, wie eben Radon. Doch generell gilt: Unangenehme Gerüche, auch wenn man sie nicht definieren kann, sind ein guter Indikator für schlechte Luft. (Andrea Gutschi, 14.3.2024)