Junge Frau und junger Mann laufen bei Dirtrun durch schlammiges Wasser.
Manche Menschen sind regelrechte Dirt-Run-Fans. Es hat schon was, sich so richtig in schlammiges Wasser hineinzucatchen. Aber dort kann man sich krankmachende Bakterien holen.
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Es ist Sommer, und es hat geregnet. Den Gehweg säumen Pfützen. Ein falscher Schritt beim Spazieren oder Laufen, und zack, man landet mit einem Bein im Wasser, rutscht aus und schürft sich das Knie auf. Halb so schlimm, die Wunde verheilt schnell. Ein paar Tage später bekommt man plötzlich Fieber, Kopfschmerzen und Schüttelfrost. Klassische Grippe-Symptome.

Nur dass es womöglich keine Grippe ist. Man hat sich nämlich eventuell mit Leptospirosen infiziert. Leptospiren sind schraubenförmige Bakterien, Träger sind meist Ratten. Über deren Urin gelangen sie ins Abwasser und auf die Straßen – und von dort möglicherweise in den Menschen. Zehn bis 30 Infektionen pro Jahr werden in Österreich gemeldet.

Die tatsächliche Zahl dürfte aber viel höher sein, wegen der unspezifischen, grippeähnlichen Symptome gibt es eine hohe Dunkelziffer. Der indirekte Kontakt mit Ratten-Urin, eben durch Wasser, ist ein häufiger Übertragungsweg. Man schätzt, dass ein Viertel der Ratten in Wien – und davon gibt es wirklich viele – mit Leptospirose-Erregern herumläuft. Das zeigt eine Untersuchung aus dem Jahr 2020.

Die Ratten erkranken dabei selten selbst. Die Erreger, die sie mit dem Urin ausscheiden, können aber lange in Abwasser oder Schlamm überleben, Hunde und andere Tiere können sich dann beim Spielen oder Nahrungsuchen infizieren.

Vom Tier zum Mensch

Die Krankheit wird vom Tier auf Menschen übertragen, sie gehört damit zu den Zoonosen. Über die Schleimhäute oder oberflächliche Hautverletzungen gelangen die Bakterien in den Körper. Bis man erste Symptome merkt, kann es bis zu zwei Wochen dauern.

Typisch sind dann eben grippeartige Symptome, doch es gibt auch schwerere Verläufe. Greifen die Leptospirosen Leber und Niere an, können sie die Krankheit Morbus Weil auslösen, mit Gelbsucht oder Nierenentzündung. Man kann daran auch sterben. Eine Untersuchung schätzt die weltweiten Leptospirose-Fälle auf rund eine Million jährlich, bei knapp 60.000 Menschen verläuft die Infektion tödlich. Das sind immerhin sechs Prozent.

Das Hauptverbreitungsgebiet ist in feuchten, tropischen Gebieten. Wenn es dort zu Überschwemmungen kommt, steigt das Risiko, weil die Erreger im Schlamm lange überleben. In Österreich gilt Leptospirose deshalb als klassische Reisekrankheit.

Österreich-Variante identifiziert

Doch nun wurde festgestellt, dass neben Ratten auch Rinder in österreichischen Landwirtschaftsbetrieben Träger des Leptospira-Bakteriums sind. Ein Team um die Forscherin Amélie Desvars-Larrive vom Complexity Science Hub und der Veterinärmedizinischen Universität Wien konnte das erstmals zeigen. Die Rinder tragen dabei einen ganz bestimmten Bakterienstamm in sich. Der vollständige Name lautet Leptospira borgpetersenii Serogruppe Sejroe Serovar Hardjobovis.

Diese Entdeckung wirkt sich auf die Diagnose aus. Bisher wurden in Antikörpertests nämlich nur bestimmte Bakterienstämme abgefragt. "Jetzt wissen wir, welche Variante in Österreich vorherrscht, das macht die Diagnose bei Mensch und Tier viel genauer", sagt Desvars-Larrive.

Die Forscherin hofft auch, mehr Bewusstsein für die Krankheit zu schaffen. Noch sind in Österreich wenige Menschen und Tiere betroffen, Leptospirose ist hier nicht endemisch. Aber nicht nur bei Menschen, die mildere Symptome zu Hause aussitzen, bleibt die Infektion unentdeckt. Auch Tierärztinnen und Tierärzte denken nicht sofort an Leptospirose, wenn eine Kuh ihr Kalb verliert oder die Milchproduktion zurückgeht. Beides sind mögliche Symptome.

Ausbruch nach Triathlon

Bei uns haben vor allem Menschen ein Infektionsrisiko, die beruflich mit Tieren zu tun haben oder in Abwasser- und Kläranlagen arbeiten. Desvars-Larrive nennt aber noch zwei andere Risikogruppen: "Obdachlose Menschen kommen häufiger mit Ratten in Kontakt, auch wenn man darüber nicht gerne spricht, und haben dadurch ein höheres Risiko, zu erkranken." Und es kann Personen treffen, deren Hobbys mit Wasser oder Erde zu tun haben. Dazu zählen Triathleten, Dirt-Run-Fans, die sich dabei schon einmal im Schlamm wälzen, und leidenschaftliche Hobbygärtner.

Ein Triathlon in Niederösterreich war es auch, der 2010 den ersten dokumentierten Leptospirose-Ausbruch in Österreich zur Folge hatte. Vermutlich war das Wasser, in dem die Disziplin Schwimmen absolviert wurde, nach einem Starkregen durch Einschwemmungen vom Ufer mit Leptospiren belastet.

Seitdem ist die Zahl der jährlichen Fälle konstant. Das kann sich aber ändern. Mit dem Klimawandel steigt nämlich die Wahrscheinlichkeit für stärkere Niederschläge. Außerdem fühlen sich die Bakterien bei warmen Temperaturen besonders wohl.

Gefahr Klimaerwärmung

Tatsächlich beobachtet man seit längerem einen Anstieg der Inzidenzen auch in gemäßigten Regionen. Damit reiht sich Leptospirose unter jene Krankheiten ein, die mit dem Klimawandel bei uns häufiger werden. Die höheren Durchschnittstemperaturen und extreme Regenereignisse begünstigten Infektionskrankheiten, weil sich zum Beispiel Krankheitsüberträger in Gebiete ausbreiten, in denen sie früher nicht überlebt hätten.

Ein Beispiel dafür ist Denguefieber, es wird von Tigermücken oder Gelbfiebermücken übertragen. Sie mögen tropische Bedingungen, breiten sich aber immer stärker in europäischen Ländern aus. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt deswegen bereits vor einem Anstieg der Dengue-Fälle in Europa.

Bei Leptospirose wandern zwar nicht die Träger selbst, aber wenn es warm und feucht ist, überleben die Erreger, die sie ausscheiden, länger. Tiere in Landwirtschaftsbetrieben können die Krankheit dann leichter bekommen, aber auch Menschen.

"Leptospirose ist in Österreich vor allem eine Berufskrankheit. Durch klimawandelbedingt längere Sommerperioden steigt aber auch die Zeit, die Menschen im oder um das Wasser verbringen", weiß Desvars-Larrive. Bereits seit drei Jahrzehnten sieht man einen generellen Anstieg der Leptospirose-Fälle bei Menschen in Europa, dazu haben die klimatischen Veränderungen beigetragen. Und Modelle sagen einen weiteren Anstieg voraus.

Dass man jetzt weiß, welcher Stamm in Österreich zirkuliert, kann bei der Eindämmung helfen. Dieses Wissen stimmt Amélie Desvars-Larrive positiv: "Wir sind bereit, wenn die Fälle steigen." (Andrea Gutschi, 4.3.2023)