Feld in Uganda
In Uganda versorgen sich etliche Menschen selbst mit Feldfrüchten. Unstete Wetterbedingungen laufen der Planbarkeit aber oft zuwider. Neue Ideen aus der Maker-Szene schaffen hier oft Abhilfe.
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Das "Gravity fed Irrigation Kit" ist ein Bewässerungssystem, das ebenso einfach wie wirkungsvoll ist: Es besteht aus einem Wasserspeicher mit einem Abflussrohr, das Wasser umleitet und verteilt. So simpel die Idee klingt, so hilfreich ist sie für etliche Menschen in Uganda. Da die klimatischen Bedingungen in dem ostafrikanischen Staat durch unzuverlässige Regenfälle und Trockenzeiten gekennzeichnet sind, ist es schwierig, die Bevölkerung das ganze Jahr über mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Das Land ist zudem Ziel vieler Binnenflüchtlinge etwa aus dem Südsudan, der Demokratischen Republik Kongo, Burundi oder Somalia. Ihnen ist es zwar möglich, Lebensmittel anzubauen, allerdings erlauben die Wetterunbilden kaum Planungssicherheit.

Selbst geflüchtet und Zeuge der Situation, wollte der Sozialunternehmer Ira Emmanuel Abhilfe schaffen: "Mit dem Bewässerungssystem sollten Flüchtlinge nahrhaftes Gemüse wie Okra anbauen können, und es sollte eine nachhaltige Lösung für Unterernährung geschaffen werden." Das Kit ist ein Beitrag zum Nachhaltigkeitsziel SDG2 der Vereinten Nationen, die darin bis 2030 eine Welt ohne Hunger anstreben. Alle Materialien können vor Ort beschafft werden, die Apparatur ist wiederverwendbar, das System modular und flexibel.

Selbsthilfenetz in der Pandemie

Bei aller Einfachheit des Wirkungsprinzips erfordern Konzeption und Umsetzung gewisses technisches Geschick: "Die Grundkenntnisse habe ich mir als Projektmanager im lokalen Maker-Space der Youth Empowerment Foundation angeeignet", erklärt Emmanuel. Offene Werkstätten und Open-Source-Wissensnetzwerke fördern seines Erachtens die Realisierung zahlreicher DIY-Projekte.

Spätestens mit der Covid-19-Pandemie erwies sich die Maker-Szene als wertvolle Ressource. In dieser Subkultur geht es darum, Dinge selbst herzustellen oder existierende Gegenstände umzubauen. Während der Pandemie erforderten steigende Infektionszahlen und ein Mangel an medizinischem Inventar ein schnelles Eingreifen, hier konnte das erfinderische Selbsthilfenetzwerk seine Stärken ausspielen.

"Innerhalb der Community wird aktive Zusammenarbeit praktiziert", sagt Barbara Kieslinger vom Zentrum für Soziale Innovation (ZSI) in Graz. "Projektskizzen wurden global geteilt, lokal produziert und an medizinisches Personal und Krankenhäuser weitergeleitet, das betraf einerseits technisches Wissen über Maschinen, ging aber weit darüber hinaus", erzählt sie. Im Rahmen des von der EU geförderten Projekts "Critical Making" hat Kieslinger Graswurzelinitiativen in verschiedenen Ländern Afrikas untersucht. Forschungsfeld waren Maker-Spaces wie offene Werkstätten, die Lasercutter, 3D-Drucker, Schneideplotter und viele andere technische Gerätschaften zugänglich machen.

Globaler Trend mit lokaler Wirkung

Soziale Innovation als Teilgebiet der Soziologie begleitet Gestaltungsprozesse, untersucht die Innovationsfähigkeit und analysiert die gesellschaftlichen Auswirkungen. Auch Emmanuel hat sich mit seinem Low-Tech-Bewässerungsbausatz an dem Programm beteiligt, und die Resultate sind erfreulich: "Als die lokalen UN-Koordinatoren uns in unserem Maker-Space besuchten, bekamen wir viel Zuspruch. Wir konnten weitere Kits herstellen und an verschiedene Haushalte verteilen, die damit ihr Gemüse in der Trockenzeit bewässert haben", erinnert er sich.

Seit ihrem Aufkommen vor rund 15 Jahren haben sich Maker-Spaces zu einem globalen Trend entwickelt. Dabei beobachtet Kieslinger im Rahmen ihrer Forschungstätigkeit ein Nord-Süd-Gefälle. "In Afrika werden Maker-Spaces häufig anders genutzt als in Österreich", berichtet die Forschungsleiterin. "In Europa sind es oft eher Hobbybastler oder Architekturstudentinnen, die ihre 3D-Modelle bauen. In Afrika werden mehr Initiativen für Local Businesses gestartet, um konkrete gesellschaftliche Probleme anzugehen."

Workshops mit Schulkindern

Die Erfindung Emmanuels ist eine Initiative, die humanitäre Hilfe leistet – ein Schwerpunkt des Projekts "Critical Making". Weitere Aspekte des Programms sind die Gleichstellung der Geschlechter und die Ausbildung der nachkommenden Generation. Letztere greift Christine Kutwa, Designerin für digitale Fabrikation aus Nairobi, mit ihrem Stem-Kit (Science, Technology, Engineering, Mathematics) auf. "Wir haben einen Bausatz für Kinder entwickelt, um sie für unkonventionelle Berufe wie Hydrologie, Klimatologie, Mikrobiologie und Chemie zu begeistern", erklärt sie.

In Lamu, einer ländlichen Küstenstadt in Kenia, hat die Gemeinde nur begrenzten Zugang zu Bildung, auch gibt es weniger wissenschaftliche Laborausrüstung als im städtischen Raum. "Wir wollen junge Menschen aber auch an wissenschaftliche Berufe heranführen", sagt Kutwa. Die regionalen wirtschaftlichen Aktivitäten würden sich hauptsächlich auf Fischerei, Landwirtschaft, Schreinerei oder Seetransport beschränken. Kutwa leitet daher Workshops mit Schulkindern, in denen etwa ein klassischer Wasserfilter auf dem Programm steht.

Die Konstruktion setzt sich aus drei Teilen zusammen: einer Wasser-Koagulationseinheit, vier Kartuschen mit Filterelementen und einem Auffangbehälter für das saubere Wasser. Jede Filtereinheit ist durch ein Sieb getrennt. "Und um den jungen Lernenden das Ganze möglichst anschaulich zu vermitteln, haben wir für den ersten Prototyp die Form eines Elefanten gewählt", erzählt Kutwa.

Blick in die Zukunft

Das Forschungsprojekt "Critical Making" ist inzwischen abgeschlossen, das Feld hält aber noch eine Fülle von Erkenntnissen bereit. "Innovation muss nicht nur von großen Firmen oder Universitäten stammen, sie kann auch in Graswurzelprojekten entstehen. Die Maker-Szene gehört im Sinne der sozialen Innovation noch stärker erforscht", resümiert Kieslinger. Eine Idee für die Weiterführung ihrer Initiative hätte auch Kutwa bereits: "Ich wollte schon immer einen mobilen Maker-Space haben, den man von einer Schule zur anderen bringen kann, sodass man überall die gleiche Stem-Ausbildung anbieten kann."

Das von Emmanuel entwickelte Bewässerungsmodell soll als Nächstes im Südsudan eingesetzt werden: "Wir arbeiten derzeit daran, dasselbe Modell für die Regenernte im Südsudan zu replizieren, der aufgrund des Klimawandels vor den gleichen Herausforderungen steht: akute Nahrungsmittelknappheit mit schrecklichen Folgen wie Unterernährung und Vertreibung auf der Suche nach Nahrung." (Julia Dvorin, 28.3.2024)