Pflegekraft betreut eine alte Frau mit starrem Blick
Bei Demenz kommt es zu Veränderungen im Gehirn. Aber warum sie entstehen, weiß man nicht so genau.
Getty Images/fotografixx

Demenz-Erkrankungen stellen die Wissenschaft bis heute vor große Rätsel. Vieles ist bei den neurodegenerativen Krankheiten noch unklar. Die genauen Ursachen von Alzheimer, das ist die häufigste Form der Demenz, sowie die Mechanismen der Krankheit sind noch nicht entschlüsselt, dementsprechend gibt es bisher auch keine Heilungsmöglichkeiten. Man weiß, dass die Genetik eine Rolle spielt – wenn auch nur eine kleine Rolle, etwa ein bis zwei Prozent der gesamten Demenz-Erkrankungen gehen auf eine vererbte Form zurück.

Davon abgesehen waren bisher nur sporadische Entstehungen der Krankheit bekannt. Ja, es gibt zahlreiche Faktoren, die eine solche Krankheit begünstigen, und man kann mit dem Lebensstil vieles davon beeinflussen. Aber so richtig vorhersagen, warum die Krankheit bei manchen Personen entsteht und bei anderen nicht, kann man noch nicht.

Jetzt zeigen Forscherinnen und Forscher in einer kleinen Studie erstmals, dass Alzheimer übertragen werden und Jahrzehnte später als Krankheit ausbrechen kann – allerdings nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen, ein Risiko im Alltag besteht nicht. Im Rahmen der britischen Erhebung wurden acht Patientinnen und Patienten untersucht, die in ihrer Kindheit Wachstumshormone erhalten haben. Diese Hormone wurden aus dem Hirngewebe von Verstorbenen gewonnen. Fünf der acht Patientinnen und Patienten entwickelten dann im Alter von 38 bis 55 Jahren Symptome einer Demenz-Erkrankung, also in vergleichsweise jungen Jahren. Das berichteten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter im Fachjournal "Nature Medicine".

Schon frühere Studie deutete auf Zusammenhang hin

Diese Therapieform wird längst nicht mehr genutzt, die heute eingesetzten Wachstumshormone werden in Laboren entwickelt. Bis 1985 war die Gewinnung der Hormone aus dem Gewebe von Verstorbenen weltweit üblich. Als dann aber bekannt wurde, dass einige der behandelten Patientinnen und Patienten auffällig früh die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit entwickelten, wurde die Methode eingestellt.

Das Forschungsteam um John Collinge vom Institut für Prion Diseases in London hat bereits in früheren Studien die von der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit Betroffenen untersucht. 2015 berichteten die Forscherinnen und Forscher erstmals von Indizien für eine Übertragung von Alzheimer, als sie in den Gehirnproben von Personen, die in ihrer Kindheit eine Hormontherapie erhalten hatten und später an der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit verstorben waren, sogenannte Amyloid-Beta-Proteine nachweisen konnten. Das ist eines jener Proteine, deren Ablagerungen zur Auslösung der Krankheit führen könnte. Die zweite relevante Proteingruppe sind die sogenannten Tau-Proteine.

Daraufhin untersuchten die Forschenden die archivierten Chargen der damals verwendeten Hormonpräparate und fanden messbare Mengen von fehlgefalteten Amyloid-Beta- und Tau-Proteinen. Versuche mit Mäusen ergaben, dass dieses historische Material auch Jahre später immer noch in der Lage war, die Krankheit in den Mäusen auszulösen.

Verfrühter Alterungsprozess

In der aktuellen Studie berichten Collinge und sein Team nun von acht Personen, die in der Vergangenheit Wachstumshormone erhalten hatten, aber nicht die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit entwickelten. Fünf dieser Patientinnen und Patienten wiesen im Alter von 38 bis 55 Jahren Symptome auf, die mit einer früh einsetzenden Demenz übereinstimmen und diagnostische Kriterien für Alzheimer erfüllen. Blutuntersuchungen bestätigten bei zweien von ihnen die Alzheimerdiagnose. Eine der übrigen drei Personen zeigte Symptome einer leichten kognitiven Beeinträchtigung, eine andere hatte nur subjektive kognitive Symptome, und die dritte war symptomlos. Während des Untersuchungszeitraums verstarben drei der acht Personen. Im Gehirn einer fanden die Forschenden klare Anzeichen für eine Alzheimererkrankung.

"Durch die Gabe von diesen Hormonen im Kindes- beziehungsweise Jugendalter wurde der normale Alterungsprozess zu einem sehr frühen Zeitpunkt angestoßen und deshalb, so meine Erklärung, eine präsenile Krankheitsentwicklung induziert", erklärt Walter Schulz-Schaeffer, Direktor des Instituts für Neuropathologie des Universitätsklinikum des Saarlandes. Denn grundsätzlich sind Proteinablagerungen bis zu einem gewissen Grad ein ganz normaler Teil des Alterungsprozesses. "Dass man das bei alten Personen im Gehirngewebe sieht, ist nicht ungewöhnlich", sagt Schulz-Schaeffer.

Hinweis auf Ursache der Krankheit

Für den Neuropathologen ist an der Studie besonders interessant, dass bei Hirngewebeuntersuchungen der Betroffenen gezeigt werden konnte, dass sich vor allem die Beta-Amyloid-Ablagerungen veränderten. Die Ablagerung von Tau war nicht so stark. "Dies ist ein wichtiger Befund zur Klärung der Frage, wodurch die Alzheimer-Krankheit ausgelöst wird", findet er.

Denn in Fachkreisen wird heftig diskutiert, ob die Ursache mit der Bildung von unlöslichen Ablagerungen des Abbauproduktes Beta-Amyloid in Zusammenhang steht oder ob die Verklumpung des Tau-Proteins der krankheitsauslösende Prozess ist. "Die vorliegende wissenschaftliche Untersuchung unterstreicht die bedeutende Rolle der Beta-Amyloid-Ablagerungen für die Entstehung der Alzheimer-Erkrankung", sagt Schulz-Schaeffer. (poem, 1.2.2024)