Dass in den Wiener Außenbezirken abends das Licht angeht, war viele Jahre lang dem Gaswerk Leopoldau zu verdanken: Hier wurde ab 1911 das dafür nötige Stadtgas hergestellt. Dafür ratterten pro Tag 170 Waggons mit Kohle nach Floridsdorf. Heute sind Ruß und Rauch vergessen, die Gasometer von früher abgerissen.

"Es wurde damals für Gewerbebauten sehr aufwendig gebaut", sagt Architekt Krakora. Darum sieht der Werkstättenhof von außen auch mehr nach Villa als nach Gewerbebau aus.
Christian Krakora

Einige alte Gebäude sind aber noch da. Rundherum wurde in den letzten Jahren das Stadtentwicklungsgebiet Neu-Leopoldau mit 1255 Wohnungen in die Höhe gezogen. Ein Verwaltungsgebäude, eine Schlosserei und eine Werkstatt, allesamt ab 1912 erbaut, wurden in den letzten Jahren saniert und wurden zum Werkstättenhof, der von außen mehr nach schmucker Villa als nach Gewerbebau aussieht.

Drinnen geht es dreckiger zu: Ein Werkstättenhof ist eine weniger geschniegelte Variante eines Co-Working-Space für Handwerksbetriebe und produzierendes Gewerbe. Voraussetzung dafür, in den alten Gemäuern unterzukommen, ist ein Gewerbeschein.

Mit den alten Gebäuden soll dem neuen Stadtteil, in dem vor allem junge Menschen ein Zuhause finden sollen, nicht nur eine Identität verpasst werden. Damit wollen Planerinnen und Planer die Stadt der kurzen Wege schaffen: Schlafstädte sind ähnlich passé wie rauchende Kohlekraftwerke. Das Ziel ist, Wohnen, Arbeiten, Handel, Dienstleistungen und Freizeitangebote an einem Ort zu mischen, um unnötige Wege zu vermeiden und dem Viertel Leben einzuhauchen. So viel vorab: Bis das in Neu-Leopoldau Realität ist, wird es noch dauern. Rund 4000 Menschen leben hier, aber Lokale und Geschäfte fehlen noch weitgehend.

Seit kurzem läuft für den Werkstättenhof mit seinen 35 Werkstätten und elf Lagern die Suche nach Mieterinnen und Mietern. Für gut die Hälfte der Flächen gebe es bereits konkrete Gespräche, heißt es von den Vermietern bei einer Führung, darunter sind Tischler, Schlosser und Fensterbauer. Auch eine Filmproduktionsfirma habe Interesse. Und ein Unternehmer, der hier künftig Tischtennisschläger herstellen will, hat bereits unterschrieben. Die Mieten liegen zwischen acht und neun Euro je Quadratmeter, dazu kommen noch die Betriebskosten.

Die richtige Mischung

Investiert werden muss außerdem: Die Räume werden im Edelrohbau übergeben, um den Innenausbau müssen sich Mieterinnen und Mieter selbst kümmern. Auf der Orientierungstafel im Erdgeschoß hat ein Mieter, ein Innenarchitekt, bereits Tatsachen geschaffen und seinen Namen in Form eines weißen DIN-A4-Zettels aufgehängt.

Im Stiegenhaus sieht es noch - fast - wie früher aus.
Im Stiegenhaus sieht es noch– fast– wie früher aus.
Christian Krakora

Fast wie in einem modernen Co-Working-Space soll auch auf eine gute Mischung bei den Mieterinnen und Mietern geachtet werden, damit sie voneinander profitieren. Ein Beispiel: Wenn ein Tischler im Haus ist, müssen die anderen vielleicht nicht mehr für jedes Brett extra in den Baumarkt fahren.

Der Eigentümer der Flächen wirkt auf den ersten Blick etwas aus der Zeit gefallen. Es ist der Kaiser-Franz-Joseph-I.-Jubiläumsfonds für Werkstättengebäude und Volkswohnungen (KFJ), der noch zu Zeiten des Namensgebers gegründet wurde und heute im Eigentum von Stadt und Bund steht.

Mehr als hundert Jahre gehörte diesem Fonds nur ein einziges Gebäude, nämlich der Mollardhof, der wie eine Burg an der Linken Wienzeile thront und von Franz Joseph selbst übrigens nie besucht wurde. Das erklärte Ziel des Fonds war damals bereits, Handwerkern, die durch einen Wohnbauboom unter Druck gerieten, in der Stadt Werkstätten anzubieten.

Die Idee funktioniert heute noch: Im Mollardhof werken auf mehr als 13.000 Quadratmetern Grafikdesignerinnen und Fotografen neben Tischlerinnen und Blechdrückern. Die Flächen sind begehrt. Im Mollardhof gibt es, im Unterschied zum Werkstättenhof in Neu-Leopoldau, auch Wohnungen, für die man einen Gewerbeschein braucht.

Der alte Dachstuhl war bei der Sanierung des Ensembles großes Thema.
Der alte Dachstuhl war bei der Sanierung des Ensembles großes Thema.
Christian Krakora

"Der Mollardhof wurde 2003 generalsaniert", erzählt Daniel Glaser, Vorsitzender des Kuratoriums des KFJ. "Das Geld, das sich seither angesammelt hat, mussten wir reinvestieren." So ergab sich das Projekt in Neu-Leopoldau, das man "zu einem fairen Preis" von den Wiener Netzen erworben habe. Insgesamt wurden laut KFJ 14 Millionen Euro investiert. Passend eigentlich, dass der Werkstättenhof heuer und damit 120 Jahre nach der Eingemeindung von Floridsdorf, der der Kaiser zustimmen musste, fertig wird.

Teils seien die Gebäude in "ruinösem Zustand" gewesen, erzählt der Architekt Christian Krakora, Geschäftsführer von B18 Architekten. Fallweise seien sie zwar als Filmset oder Trainingsareal der Cobra genutzt, großteils aber dem Verfall preisgegeben worden. Zwei Jahre hat die Renovierung der denkmalgeschützten Gebäude gedauert. Das alte Stiegenhaus und die Zementfliesen am Boden blieben erhalten, Anbauten der jüngeren Vergangenheit wurden abgetragen. Dafür kamen Lifte und Sanitäranlagen hinzu. "Es wurde damals für Gewerbegebäude sehr aufwendig gebaut", sagt Krakora und deutet auf einen grünen Rauchfang im Art-déco-Stil und kunstvolle Regenrinnen. Aber nicht nur die Bauweise, auch zahlreiche unliebsame Überraschungen durch die alte Bausubstanz in Kombination mit dem Denkmalschutz haben die Profis vor Ort beschäftigt.

Großes Thema war der Dachstuhl, der erhalten bleiben musste. "Abbruch und Wiederherstellung des mächtigen Daches wären wesentlich günstiger gewesen", sagt Krakora. In Abstimmung mit dem Denkmalamt wurden zusätzliche Dachflächenfenster und Gauben eingebaut, um die Arbeitsräume mit Tageslicht versorgen zu können.

Weitere Gebäude

Rundherum gibt es noch weitere Industriebauten, die in den letzten Jahren verkauft wurden. Zum Beispiel das ehemalige Wohlfahrtsgebäude, für das Entwickler Soravia gerade die "bestmögliche Nutzung" evaluiert. Dem gemeinnützigen Bauträger EGW, der zwei Projekte errichtet hat, gehört das denkmalgeschützte Trafohäuschen, in dem bis vor kurzem die Gebietsbetreuung untergebracht war. Nun wird es frei, und EGW-Geschäftsführerin Karin Kieslinger wünscht sich, "dass sich jemand findet, der hier zum Beispiel ein kleines Café eröffnet".

Vielleicht ja mit Gugelhupf. Zumindest Franz Joseph hätte das wohl gefallen. (Franziska Zoidl, 30.1.2024)