Der Blick auf die Donau hilft Yvonne G. gegen Fernweh. Die 44-Jährige wurde auf dem Weg in ihre neue Wohnung von Sozialarbeiterinnen des Neunerhauses begleitet, nun hat sie wieder ihren eigenen Mietvertrag.

Yvonne G. ehemals wohnungslos
Yvonne G. in ihrem Zuhause mit Blick aufs Wasser: "Hier bleibe ich, bis ich sterbe." Der Blick auf die Donau und weiter bis zum Schneeberg ist ihr sehr wichtig.
Lisi Specht

"Vergangenen August bin ich aus einer Übergangswohnung in diese Gemeindewohnung im 22. Bezirk mit Blick auf die Donau gezogen. Sie hat mir sofort gefallen. Mir ist der Ausblick unheimlich wichtig. Ich bin auf dem Land aufgewachsen und will nicht auf eine Hausmauer schauen. Von meinem Wohnzimmersofa aus sehe ich jetzt über die Donau und, wenn es klar ist, bis zum Schneeberg. In der Nacht sehe ich das Lichtermeer der Stadt. Ich hatte wirklich Glück.

Aber das war nicht immer so. Vor zweieinhalb Jahren hat eine Beziehung geendet. Und weil ihm die Wohnung gehörte, bin ich in einem Obdachlosenheim gelandet. Das Leben dort ist eigentlich unvorstellbar. Am Anfang war das erst einmal Kopf gegen die Wand. Vieles war kaputt. Aber man lernt viel dazu. Von dort kam ich in eine Übergangswohnung, die auf drei Jahre befristet war und bei der ich Unterstützung bekam. Aber ich hatte immer den Wunsch, in eine unbefristete Wohnung zu ziehen, bei der ich den Mietvertrag selbst unterschreibe.

Es hat nicht lange gedauert, bis ich mich hier zu Hause gefühlt hab. Im ersten Monat habe ich erst einmal keinen Besuch gewollt, weil ich hier einfach nur allein sein wollte. Mittlerweile habe ich gern Besuch, aber nur ausgewählte Leute, die sich benehmen können. Ich habe es hier nämlich gern ruhig.

Yvonne G. Wohnung
Einige Pflanzen und Steckregale werden in der Wohnung von Yvonne G. noch dazukommen.
Lisi Specht

Die Möbel sind großteils von Willhaben. Mir gefällt Eiche in Kombination mit Schwarz, weiße Möbel wären nichts für mich. Die Küche hatte ich schon in meiner Übergangswohnung, und sie wurde mir von Neunerhaus geschenkt.

Mir ist Kochen unheimlich wichtig. Linsen mit Speck aus der Dose schmecken einfach nicht so gut wie selbstgemacht. Ich habe mir schon in meiner Übergangswohnung Dinge wie Töpfe oder einen Kühlschrank gekauft, wenn es wo ein günstiges Angebot gab. Einiges fehlt mir aber noch, ein Kasten im Vorraum, in dem ich meine Sachen unterbringen kann, und Kastln fürs Bad. An die Wände kommen noch Steckregale. Mein Wohntraum wäre ja eine Badewanne, besonders wenn es so kühl ist wie jetzt, aber die hat leider keinen Platz.

Und dann möchte ich gern auch noch mehr Pflanzen. Eine Wohnung ohne Pflanzen ist für mich keine Wohnung. Ich werde mich noch nach einem Ficus umschauen. Ich hatte früher mal einen, der war so hoch wie der Raum.

Yvonne G. Wohnung
Ihr liebstes Möbelstück ist die brandneue Waschmaschine.
Lisi Specht

Mein Lieblingsmöbelstück ist aber die Waschmaschine. Das ist die erste Waschmaschine, die ich mir in meinem Leben geleistet habe. Ich hatte Glück, weil Köck manchmal B-Ware günstig abverkauft. Ich habe meine Zehn-Kilo-Maschine um 199 Euro gekriegt. Ein Schnäppchen! Ich wollte keine gebrauchte Waschmaschine wegen der Garantie. Sie funktioniert wunderbar. Und das Beste: Ich kann waschen, wann ich will.

Natürlich fehlen mir einige Dinge von früher. In ein Obdachlosenheim kannst du nichts mitnehmen, ich musste ganz von vorn anfangen. Eine Kristallvase ist so ziemlich das einzige Erinnerungsstück, das ich habe. Sie ist zehn oder 15 Jahre alt, und ich habe sie mir irgendwann beim Müller eingebildet.

Yvonne G. wohnung
Die Küche hatte Yvonne G. schon in ihrer Übergangswohnung, sie wurde ihr vom Neunerhaus geschenkt.
Lisi Specht

Wenn man mal alles verloren hat, lernt man die Sachen anders schätzen. Hier kann ich alles machen, ohne dass ich mir Gedanken machen muss, dass ich die Wohnung in drei Jahren zurückgeben muss. Sogar die Wände könnte ich anstreichen. Das hier, das gehört mir. Das ist ein anderes Lebensgefühl. Das ist tausend und eins. Das lasse ich mir auch nicht mehr nehmen. Hier bleibe ich, bis ich sterbe. Ich will das alles nicht noch einmal durchmachen.

Nur manchmal packt mich das Fernweh. In meinen 20ern bin ich sieben Jahre lang durch Europa gefahren. Ich möchte die Zeit nicht missen. Ich habe fast alles gesehen damals. Am schönsten ist es in Griechenland, Sardinien, Sizilien, Gran Canaria. Diese Sehnsucht nach dem Meer, die bleibt einem. Aber hier habe ich die Donau vor dem Fenster." (Franziska Zoidl, 29.1.2024)