Hand deutet auf den Gehirnscan einer Demenz-erkrankten Person
Bei Demenz entstehen typische Veränderungen im Gehirn, die man auf einem Scan erkennen kann. Eine gesünderer Lebensstil kann das Risiko, daran zu erkranken, deutlich reduzieren – auch bei Betroffenen unter 65 Jahren.
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Demenz ist eines der größten Gesundheitsrisiken vor allem für ältere Menschen. Jede fünfte Person über 85 ist davon betroffen, bei den über 90-jährigen ist es bereits jede dritte. In Österreich sind rund 130.000 Menschen an einer Form von Demenz erkrankt, Tendenz steigend. Und es gibt eine bedenkliche Entwicklung: Die Betroffenen werden immer jünger.

Fast vier Millionen Menschen weltweit erkranken bereits vor ihrem 65. Lebensjahr an einer Form von Demenz, jährlich werden rund 370.000 neue Fälle diagnostiziert. Doch nicht nur genetische Faktoren sind dafür verantwortlich, dass sich die Krankheit bereits so früh manifestiert. Bisher ging man davon aus, dass durch den Lebensstil bedingte Demenz später auftritt und die frühen Fälle eine sehr starke genetische Komponente aufweisen.

Doch nun wurden im Zuge einer großangelegten Untersuchung insgesamt 15 Faktoren identifiziert, die das Risiko einer früh einsetzenden Demenz auch bei unter 65-jährigen deutlich erhöhen. Dazu gehören unter anderem ein schlechteres sozioökonomischen Umfeld, Einsamkeit, eine Hörbehinderung, Depression, Gesundheitsfaktoren wie Vitamin-D-Mangel und Alkoholmissbrauch. Vor allem Letzterer steigert das Risiko für die neurodegenerative Erkrankung deutlich, er wird in der Untersuchung an dritter Stelle aller 15 Risikofaktoren gereiht, nach Störungen in der Blutdruckregulation und Depressionen. Die Studie wurde im Fachblatt "Jama Neurology" publiziert.

Besserung durch Lebensstiländerung

Für die Studie wurden die Daten von mehr als 356.000 unter 65-Jährigen aus der UK-Biobank untersucht. Forschende der Universitäten Exeter und Maastricht analysierten, welche Einflussfaktoren für eine früh einsetzende Demenz es gibt, und prüften genetische Faktoren, Lebensstil und Umwelteinflüsse.

Das Überraschende: Aus früheren Studien weiß man, dass Lebensstiländerungen das Demenzrisiko älterer Menschen deutlich verringern können. Nun hat man erstmals Hinweise darauf gefunden, dass Anpassungen bei den 15 identifizierten Faktoren das Risiko bei jüngeren Menschen im gleichen Ausmaß reduzieren können.

Nun seien weitere Untersuchungen nötig, um die diesen Risikofaktoren zugrunde liegenden Mechanismen zu identifizieren. Aber man könne im Zuge von Initiativen zur Demenzprävention bereits jetzt auf diese veränderbaren Parameter eingehen und so das Risiko einer jungen Demenz verringern, schreiben die Forschenden.

"Neben körperlichen Faktoren spielt auch die psychische Gesundheit eine wichtige Rolle. Klar ist zum Beispiel, dass chronischer Stress, Einsamkeit oder Depressionen das Risiko befeuern", sagt Sebastian Köhler, Professor für Neuroepidemiologie an der Universität Maastricht und einer der Hauptautoren der Studie. Das wusste man bereits aus Untersuchungen mit älteren Demenzkranken. "Mich hat überrascht, dass diese Faktoren auch bei jüngeren Demenzkranken zu beobachten sind. Mit diesem Wissen kann man auch in dieser Gruppe das Risiko mindern."

Neue Wege beschreiten

Die Forschung beschreite mit dieser Erkenntnis neue Wege, betont Janice Ranson, leitende wissenschaftliche Mitarbeiterin an der University of Exeter. "Damit kann eine neue Ära der Interventionen beginnen, um neue Fälle jüngerer Betroffener zu reduzieren." All das bedeute einen Wandel im Verständnis des Demenzrisikos.

In den vergangenen Jahren hat sich der Konsens herausgebildet, dass Demenz mit zwölf spezifischen, veränderbaren Risikofaktoren wie Rauchen, erhöhtem Blutdruck oder auch schlechtem Hören zusammenhängt, der STANDARD berichtete (hier nachzulesen). Bis zu vier von zehn Demenzfällen weltweit sollen mit diesen Faktoren zusammenhängen. Nun beginnt man, eine weitere Wissenslücke im Verständnis der Erkrankung zu schließen. (kru, 29.12.2023)