Frau liegt im Bett und hustet, auf dem Nachtkästchen liegen zahlreiche Medikamente und Taschentücher
Derzeit sind besonders viele Menschen krank. Und die spüren den entzündeten Hals oder die verstopfte Nase abends und nachts oft besonders stark.
Getty Images/iStockphoto/RyanKing999

Kennen Sie das? Dieses Gefühl, wenn man morgens aufwacht und denkt, dass man jetzt wirklich über den Berg ist? Heute ist es deutlich besser als gestern, meint man dann. Aber am Nachmittag kommt dann doch wieder der Einbruch, man schnupft und hustet plötzlich wieder mehr und fühlt sich schlapp.

Das bilden Sie sich nicht ein, im Gegenteil. Es ist nur naheliegend, dass es Ihnen so geht, sagt Michael Fischer, Leiter des Instituts für Physiologie an der Med-Uni Wien. "Die Aktivität des Immunsystems schwankt über den Tag hinweg sehr stark", erklärt er. Das hat mit dem zirkadianen Rhythmus, also vereinfacht gesagt mit unserer inneren Uhr zu tun.

Cortisolspiegel verändert sich

Besonders entscheidend ist dabei das Cortisol. "Dieses leistungssteigernde Hormon wird täglich in der Nebennierenrinde produziert und kann im Prinzip jegliche Immunfunktion sehr effizient unterdrücken. Deshalb wird es auch medizinisch im großen Stil eingesetzt", erklärt Fischer.

Diese körpereigene Produktion folgt einem Rhythmus. Morgens ist der Cortisolspiegel am höchsten, das kann dazu führen, dass Entzündungen tagsüber eher unterdrückt und die Symptome einer Infektion dadurch gedämpft werden. Sinkt der Cortisolspiegel gegen Abend, spürt man die Symptome wieder stärker. In der Medizin kennt man dieses Phänomen vor allem von Asthmatikerinnen und Asthmatikern. "Betroffene kommen häufig mitten in der Nacht in die Notaufnahme. Tagsüber spüren sie das Asthma nicht so stark, aber um zwei Uhr morgens, wenn der Cortisolspiegel am niedrigsten ist, brauchen sie die Rettung", berichtet Fischer.

Grundsätzlich versucht unser Körper, wenn wir verkühlt sind, diese starken Schwankungen etwas zu reduzieren. Sie können für den Organismus nämlich ziemlich anstrengend sein und besonders morgens, wenn der Cortisolspiegel hoch ist und die Symptome gedämpft werden, könnten sich krankmachende Erreger quasi unbemerkt noch leichter vermehren. "Die Schwankungen sind deshalb nicht ganz so stark, wenn wir angeschlagen sind, zeigen Studien. Aber trotzdem bleibt eine gewisse Rhythmik übrig", sagt Fischer.

Regeneration in der Nacht

Dazu kommt, dass unser Körper in der Nacht besonders intensiv an der Regeneration arbeitet. Auch das ist ein Grund, warum wir uns nach dem Aufwachen deutlich fitter fühlen als abends. "In der Nacht muss der Körper keine Energie für sonstige Aktivitäten bereitstellen und kann sich voll auf die Immunabwehr konzentrieren", sagt Fischer.

Morgens – also nach dieser intensiven Phase der Regeneration – ist der Körper tendenziell resistenter gegenüber bakteriellen Belastungen. Erkenntnisse aus Studien an Tieren ließen sich laut Fischer auf den Menschen übertragen – auch der Mensch zeigt eine von der Tageszeit abhängige Antwort.

Und noch ein Aspekt spielt beim zirkadianen Rhythmus eine wichtige Rolle: "Auch die Darmflora, die im Allgemeinen sehr schützend wirkt, arbeitet tageszeitabhängig", sagt Fischer. Generell verändert sich das rege Treiben der Bakterien in uns über den Tag hinweg ständig. Das hängt mit der Verfügbarkeit der Nahrung zusammen. Tagsüber, wenn wir Nahrung zu uns nehmen, vermehren sich eher jene Mikroorganismen, die diese Nahrung gut in ihre Einzelteile zerlegen und für sich nutzen können. Nachts hingegen vermehrt sich die Art von Bakterien, die keine Nahrung von außen braucht und sich stattdessen beispielsweise von Teilen unserer Schleimhäute ernährt. "Darüber hinaus entwickeln sich auch die Krankheitserreger evolutionär immer weiter. Sie versuchen, diese Tageszyklen unseres Körpers zu ihrem Vorteil auszunutzen", sagt der Physiologe.

Zwei Pölster, nicht nur einen

Unser Immunsystem muss also ziemlich intensiv arbeiten, um Erreger zu bekämpfen. Tagsüber sind die Abwehrkräfte aktiv, halten die Krankheitserreger in Schach. Abends, wenn die Energiereserven abnehmen, vermehren sich die Erreger wieder. Und das führt zu einer verstärkten Abwehrreaktion, deshalb ist das Fieber am Abend tendenziell höher als morgens, der Kopf pocht stärker oder die Nase beginnt wieder zu laufen.

Abends können eine verstopfte Nase oder ein verschleimter Hals besonders lästig sein. Das liegt am sogenannten postnasalen Tropf. So nennt man den Schleim, der sich in liegender Position im Rachen oder den Nasennebenhöhlen ansammelt. Tagsüber, wenn man sich bewegt oder steht, verteilt sich der Schleim besser und kann durch die Schwerkraft abfließen. Nachts hat man dann das Gefühl, ständig husten zu müssen, um die Atemwege wieder zu befreien. Da kann eine leicht erhöhte Kopfposition, also etwa zwei statt nur ein Polster, helfen. (Magdalena Pötsch, 14.12.2023)