Junge wird im Oberarm geimpft
Burschen schützen sich mit einer Impfung nicht nur selbst, sondern leisten auch einen wichtigen Beitrag zur Herdenimmunität.
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Die Impfung gegen Humane Papillomaviren (HPV) ist eine Erfolgsgeschichte der Impfforschung. Denn im Grunde ist es eine Impfung gegen Krebs, die 2006 zugelassen wurde: Humane Papillomaviren sind schon lange als Hauptauslöser für Gebärmutterhalskrebs bekannt. Die HPV-Impfung wirkt gegen die häufigsten krebsauslösenden HP-Viren.

HPV-Infektionen zählen zu den häufigsten sexuell übertragbaren Infektionen weltweit. Von den insgesamt über 200 HPV-Varianten können Niedrigrisikotypen zu Genitalwarzen und Hochrisikotypen, wie HPV16 und HPV18, zu bösartigen Tumoren führen. Um das Risiko einer HPV-Infektion zu reduzieren, wir die Impfung hierzulande ab dem vollendeten neunten Lebensjahr empfohlen. Seit Februar dieses Jahres steht die Impfung bis zum vollendeten 21. Lebensjahr kostenlos zur Verfügung.

Herdenimmunität, aber auch stärkere Verbreitung anderer Varianten

Eine Impfung gegen HPV bei Burschen und Mädchen führt zu einer Herdenimmunität gegen die geimpften Hochrisikovarianten, allerdings auch zu einer stärkeren Verbreitung jener HPV-Varianten, gegen die nicht geimpft wurde.

Dieses Ergebnis berichten Forschende aktuell im renommierten Fachblatt "Cell Host & Microbe". Für ihre Studie untersuchten die Fachleute die Ausbreitung von unterschiedlichen HPV-Varianten in insgesamt 33 Gemeinden in Finnland. In einigen Gemeinden erhielten sowohl Mädchen als auch Jungen bis 15 Jahre eine Impfung gegen die gefährlichsten bekannten HPV-Varianten 16 und 18, in manchen Gemeinden wurden dagegen nur Mädchen geimpft, und in anderen Gemeinden wurden keine Impfungen gegen HPV vorgenommen. Nach vier sowie acht Jahren erhob das Team, wie häufig diese wie auch andere Varianten in den Gemeinden verbreitet sind. Die Herdenimmunität war in den Gemeinden am stärksten, in denen Mädchen und Burschen sich impfen ließen, allerdings breiteten sich dort die HPV-Varianten, gegen die nicht geimpft wurde, stärker aus.

Grundsätzlich ist das nicht besonders überraschend, findet Ulrike Wieland, Oberärztin an der Uni-Klinik Köln und Leiterin des Nationalen Referenzzentrums für Papillom- und Polyomaviren in Deutschland. "Bereits frühere Studien gaben Hinweise darauf, dass dies möglich sein könnte", berichtet sie. Das sogenannte Type-Replacement-Prinzip ist schon lange bekannt und wurde zuletzt bei Corona gut sichtbar: Werden manche Varianten eines Virus mit einem Impfstoff erfolgreich eliminiert, besetzen andere Virusvarianten diese frei gewordene Nische. "Es ist daher plausibel, dass diese Hochrisikotypen 16 und 18, gegen die bei HPV geimpft wird, langfristig durch andere Hochrisikotypen ersetzt werden können", sagt Tim Waterboer, Leiter der Abteilung Infektionen und Krebs-Epidemiologie am Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg.

Schnelles Type-Replacement

Zwei Dinge überraschen Waterboer bei der finnischen Studie aber dennoch. Zum einen: "Das Type-Replacement ist in genderübergreifenden Impfgruppen stärker als in Gruppen, in denen nur Mädchen geimpft wurden, zeigen die Studienergebnisse. Das ist damit zu erklären, dass der Begriff der Herdenimmunität sich immer auf die ganze Bevölkerung bezieht. Herdenimmunität ist nicht dort zu erreichen, wo nur Mädchen geimpft werden", erklärt er.

Zum anderen geht es um die Schnelligkeit, mit der eliminierte Virusvarianten in der Ausbreitung durch andere ersetzt werden könnten. Bei Corona beispielsweise kamen immer sehr rasch neue Virusvarianten zum Vorschein. HPV ist aber nicht wie Sars-CoV-2 ein RNA-Virus, sondern ein DNA-Virus, und bei DNA-Viren passiert das Ausweichen üblicherweise wesentlich langsamer. "Dass bei dem sich langsam verändernden HPV schon nach acht Jahren ein Type-Replacement nachweisbar ist, ist eine Neuigkeit, die so nicht unbedingt erwartbar war."

Ob sich dieses Type-Replacement auch auf das Krebsrisiko auswirkt, könne man jetzt noch nicht sagen. Erst einmal gelte der Trend, dass durch Impfung weniger Krebserkrankungen entstehen. Wenn Virus-Varianten durch andere ersetzt werden, müsse das nicht zu einem Anstieg des Krebsrisikos führen, sondern eher zu einer Abschwächung des Abwärtstrends.

"Was jetzt erstmal wichtig ist: Auch Männer bekommen HPV-verursachten Krebs", betont Waterboer. Bei Männern geht es dabei vor allem um Karzinome im Anal- und Kopf-Hals-Bereich. "Deshalb sollten auch sie vor HPV-Infektionen geschützt werden. Dank der genderübergreifenden Impfung schützen sich Männer und Frauen selbst und gegenseitig", sagt er.

Impfprogramme an Schulen sinnvoll

Die Weltgesundheitsorganisation veröffentlichte 2020 die 90-70-90-Strategie, mit der sie gegen Gebärmutterhalskrebs vorgehen will: Bis 2030 sollen 90 Prozent der Mädchen bis zu ihrem 15. Lebensjahr die vollständige HPV-Impfung erhalten haben. 70 Prozent der Frauen bis 35 Jahre sollen mit einem aussagekräftigen HPV-Test gescreent worden sein, und dann noch einmal bis zu ihrem 45. Lebensjahr. Und 90 Prozent der Frauen, die an Gebärmutterhalskrebs leiden, sollen eine entsprechende Behandlung erhalten können.

Ein ambitioniertes und wünschenswertes Ziel, finden Fachleute. Aber die Mehrheit von ihnen hält es auch für unrealistisch. "Es kann aber auch bereits mit einer geschlechterneutralen Impfquote von circa 70 Prozent eine Herdenimmunität erreicht werden", sagt der Experte. Die Frage sei vielmehr, wie man eine hohe Impfquote erreichen könnte. Und dazu gibt es eine klare Antwort, bei der sich nahezu alle Fachleute einig sind: "In Schulen impfen!" (Magdalena Pötsch, 9.11.2023)