Daniel Wisser lebt seit 17 Jahren in einer Altbauwohnung in Wien-Leopoldstadt, die ihm gehört. Weil er gewisse Dinge sammelt und dafür Platz braucht, hat er außerdem ein Lagerabteil in der Nähe angemietet.

"Viele Leute glauben, ich bin Kärntner, weil ich in Klagenfurt geboren wurde. Ich bin aber im Burgenland aufgewachsen, ganz klassisch im Einfamilienhaus. 1989 kam ich nach Wien und habe seither immer in Altbauten gewohnt. Leider werden die immer weniger: Ganz in der Nähe wurde vor ein paar Jahren ein Haus abgerissen, das schönste der ganzen Straße, mit Gipsköpfen obendrauf. Einer davon steht jetzt als Erinnerung bei mir im Wohnzimmer, die Bauarbeiter hätten sie alle weggeschmissen. Ich nenne ihn Theophilus, nach Theophil Hansen. Ella, die Tochter meiner Frau Daniela, hatte anfangs ein wenig Angst, weil der so böse schaut. Mittlerweile geht’s.

Schriftsteller Daniel Wisser in seinem Wohnzimmer.
Daniel Wisser ist Schriftsteller, da überrascht es nicht, dass ihm Bücher wichtig sind.
© Lisi Specht

Ich lebe hier außerdem mit zwei Katzen, Mischa und Mačka. Es ist recht witzig, mit Katzen zu wohnen, weil man immer ein bisschen im Kopf hat: Wo sind die gerade? Das ist immer unterschiedlich, je nach Tageszeit suchen sie sich die Sonnenplätze oder finden die entlegensten Verstecke, wenn Besuch da ist. Ich denke, man kann von Katzen viel lernen, was das Einrichten einer Wohnung betrifft.

Apropos: Den Einbau mit den Bücherregalen und der Schiebetür habe ich selber entworfen, gemeinsam mit einem Tischler und Designer. Hier war vorher eine Flügeltür, die haben wir gemeinsam mit der halben Mauer entfernt. Jetzt wirkt die Wohnung fast loftartig. Sie hat 127 Quadratmeter und liegt in der Rembrandtstraße, wo ich literarisch betrachtet in guter Gesellschaft bin: Joseph Roth und Elfriede Gerstl haben hier gewohnt.

Den Indischen Feigenbaum neben dem Piano hat Daniel Wisser selbst aus dem Kern gezogen.
Lisi Specht

Unser Haus wurde 1884 erbaut, die Räume sind 3,80 Meter hoch. Ist man das einmal gewohnt, will man nicht mehr darauf verzichten. Auch das riesige Wohnzimmer ist super, vor allem zu Weihnachten, wenn Gäste da sind. Man verzichtet damit aber natürlich auch darauf, mehrere kleine Zimmer zu haben, wo man sich auch mal zurückziehen kann. Hier ist immer alles offen, Ella hat das getaugt, sie ist mit dem Roller Runden gefahren. Jetzt wird aber bald das Alter kommen, wo ihre Tür auch mal zu ist. Und irgendwann, wenn sie ausgezogen ist, werden wir vielleicht auch wieder etwas anders machen hier.

Den Parkettboden habe ich schon vor 17 Jahren erneuert, als ich die Wohnung kaufte. Dabei tauchten uralte Zeitungen auf, und in einer Mauerritze steckte ein 'Hammerbrot'-Lineal aus dem Jahr 1933.

Die Büste im Eck des Wohnzimmers stammt von einem Haus aus der Nachbarschaft, das abgerissen wurde.
Lisi Specht

Weil ich alte Notizbücher liebe und da auch eine gewisse Sammelwut habe, sind viele von denen schachtelweise in einem Lagerabteil eingebunkert, das ich in der Nähe angemietet habe. Ich sammle auch Füllfedern und schreibe damit jeden Tag in der Früh Listen, was einzukaufen und zu erledigen ist. Das ist ein bisschen ein Spleen. Allerdings werden die Listen dann selten ganz abgearbeitet. Manchmal schreibe ich was drauf, was ich gerade gemacht habe, damit ich was abhaken kann.

Eines meiner Lieblingsstücke ist auch der Indische Feigenbaum, den ich selbst aus dem Kern gezogen habe. Weil ich Pflanzen liebe, stelle ich es mir schön vor, im Grünen zu wohnen, so richtig ohne Nachbarn links und rechts. Aber die Gesellschaft des Dorfes, wo dir jeden Tag jemand am Zaun abmisst, ob eh kein Zweigerl drüberhängt, das brauche ich nicht. Da finde ich die Stadt sehr wohltuend.

Das Lineal von 1933 steckte in einer Mauerritze.
Lisi Specht

Mein Wohntraum? Also das Meer macht mir Angst, das steht auch in meinem neuen Buch. Ich bin ja doch ein Burgenländer, Meer und Berge sehe ich gerne aus sicherer Entfernung. Nein, ich hätte zwei andere Wohnträume: Ich möchte in diesem Altersheim beim Augarten wohnen, wenn ich einmal nicht mehr kräuln kann. Wenn wir dran vorbeigehen, sag ich zu Daniela immer: 'Heute melden wir uns an.'

Und danach ein Urnengrab auf dem Grinzinger Friedhof. Das kostet 650 Euro für zehn Jahre, man hat eine super Aussicht, und es ist gleich in der Nähe vom Heurigen Zawodsky, den ich sehr schätze. Da liegen der Doderer, der Bernhard, der Okopenko. Da bin ich dann auch wieder in guter Gesellschaft." (PROTOKOLL: Martin Putschögl, 6.11.2023)