Andreas Pöschek ist für die ÖBB-Nachtzüge zuständig. Die Mobilität macht sich auch in seiner Wohnung im Wiener Gasometer C bemerkbar: mit Schildern, Mistkübeln und Fahrplänen aus Zügen und von Bahnhöfen.

"Ich wohne im Gasometer. Ich mag die Atmosphäre. Es ist ein Gebäude, das einem eine Geschichte erzählt, man spürt, dass man sich hier in einem ehemaligen Industriebau befindet. Und dennoch ist der Gasometer C, in dem ich wohne, luftig und hell, die Anlage ist abgetreppt und öffnet sich zur Kuppel. Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin in einer italienischen Küstenstadt, mit vielen Treppen und einem Abgang zum Meer, wie in den Cinque Terre oder an der Amalfiküste. Fehlen nur noch die gespannten Wäscheleinen.

Andreas Pöschek sitzt im Rollstuhl und hat seine Wohnung in Wien-Simmering entsprechend angepasst.
Andreas Pöschek sitzt im Rollstuhl und hat seine Wohnung in Wien-Simmering entsprechend angepasst.
Lisi Specht

Im Gegensatz zu seinem Ruf – manche Menschen behaupten, man lebe hier anonym – ist der Gasometer eine Art Dorf in der Stadt. Man kennt sich, man grüßt einander, man pflegt eine schöne, unkomplizierte Nachbarschaft. Manche Nachbarn und Nachbarinnen verstehen sich besonders gut. Seit der Besiedelung 2001 gab es sogar schon vier Gasometer-interne Hochzeiten hier! Ich wohne hier so gerne, dass ich früher sogar Gasometer-Führungen organisiert habe.

Vor allem aber schätze ich die Nähe zum Grün. Ich bin in fünf Minuten im Prater, in 15 Minuten auf der Donauinsel und in 30 Minuten in der hoffentlich noch lange unverbauten Lobau. Bitte dieses politische Statement in die Transkription übernehmen! Lieben Gruß an Frau Sima! Was die Infrastruktur betrifft: Es gibt hier alles, man kann sich im Gasometer mit den alltäglichen Gütern gut versorgen, und ich habe direkt unter mir die U-Bahn. Allerdings ist die U3 ein Nadelöhr: Wenn es einmal eine Störung gibt, dann ist man aufg’schmissen, denn es gibt hier weit und breit keine vernünftige Öffi-Alternative.

"Ich mag die Idee des Unterwegsseins zu Hause", sagt Andreas Pöschek.
Lisi Specht

Zurück zum Wohnen: Ich wohne auf 76 Quadratmetern, und wenn man im Rollstuhl sitzt, so wie ich, dann muss man die Wohnung natürlich adaptieren und entsprechend möblieren. Die Küche ist eine ganz normale Standardküche, die ein Tischler aber auf meine Bedürfnisse zugeschnitten hat. Demnächst werde ich sie umbauen, mit absenkbaren Hochschränken. Es ist schön, in einem Land zu leben, wo es für solche Speziallösungen Förderungen gibt.

Aus der "Selbstbestimmt leben"-Bewegung ist das Modell der persönlichen Assistenz entstanden. Jeder, der Bedarf hat, stellt sich sein Assistenzteam selbstständig zusammen, in meinem Fall ist mein Team bei mir angestellt, und das Ganze wird von Bund und Land gefördert. Das ermöglicht es mir, allein und unabhängig zu wohnen und einen Beruf auszuüben. Heute zum Beispiel unterstützt mich Kira – entweder hier zu Hause oder aber auf Reisen, denn ich arbeite für die ÖBB, bin für das Produktmanagement der Nightjet-Nachtzüge in Europa zuständig, und daher verbringe ich natürlich einen Teil meiner Arbeitszeit auf Achse.

Die Küche ist
Die Küche ist "eine ganz normale Standardküche", wurde aber von einem Tischler schon einmal umgebaut und an Andreas Pöscheks Bedürfnisse angepasst. Demnächst folgen zudem absenkbare Hochschränke.
Lisi Specht

Meistens bin ich in Österreich und Deutschland unterwegs, immer wieder aber auch in Italien, Frankreich und in den Beneluxstaaten. Ich habe einen schönen Job, ich mag das Reisen, es verschafft mir Freiheit und Abenteuer, und nebenbei ist es spannend zu beobachten, wie sich Barrierefreiheit – oder auch die Definition davon – von Land zu Land unterscheidet. In Österreich, würde ich sagen, liegen wir in einem guten Mittelfeld.

Bei den öffentlichen Verkehrsmitteln sind wir im Europavergleich gut unterwegs, im Bereich der Stadtplanung, der Freiraumplanung und der Zugänglichkeit von Bauwerken hingegen haben Italien, Spanien, Schottland und Skandinavien die Nase vorn. Das hat vor allem auch mit den EU-Förderungen zu tun.

"Es ist ein Gebäude, das einem eine Geschichte erzählt, man spürt, dass man sich hier in einem ehemaligen Industriebau befindet", sagt Andreas Pöschek über sein Zuhause.
Lisi Specht

Und natürlich bringe ich auch die große, weite Welt hierher in meine Wohnung. Ob Mistkübel, S-Bahn-Schild oder irgendwelche ÖBB-Fahrpläne: Das sind zum Teil schöne Zufallsbegegnungen. Ich bin kein Nerd, und ich muss nicht mit irgendwelchen historischen Dampfloks durch die Gegend tuckeln, aber ich mag die Idee des Unterwegsseins zu Hause. Mein Traum ist es, eines Tages am Wiener Hauptbahnhof wieder in einen Zug zu steigen, der bis Athen, Istanbul, Bagdad durchfährt." (30.10.2023)