Junge Menschen sitzen auf einem Steg und trinken Bier
Entspannte Nachmittage am Wasser animieren durchaus dazu, den einen oder anderen Drink zu genießen. Aber der Hangover fühlt sich oft umso schlimmer an.
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Ein Familienfest, ein Brunch mit Freuden, eine Hochzeit oder einfach ein Tag am Pool oder am See – und das Bierchen, der weiße Spritzer oder das Glas Sekt schmecken einfach zu gut. Oder man mag es etwas schicker und gönnt sich einen Cocktail am Pool. Ein eisgekühlter Drink an heißen Sommertagen ist jedenfalls für so manche besonders verlockend.

Doch dann kommt der Hangover – und der fühlt sich oft wesentlich heftiger an als nach Drinks am Abend, mit Kopfschmerzen, Übelkeit, schlechter Laune oder sogar depressiver Verstimmung. Und das, obwohl man gefühlt womöglich sogar weniger getrunken hat als nächtens.

Das Phänomen kennen einige, doch wie es dazu kommt, ist wissenschaftlich wenig untersucht. Es gibt auch keinen kausalen Zusammenhang, warum sich Alkohol beim manchen untertags stärker bemerkbar macht als am Abend. Klar ist: Es spielen auch einige soziale Faktoren mit. Ernährungswissenschafterin Ursula Pabst erklärt, was dahinter stecken könnte.

Es sind die Umstände

Ziemlich sicher ist die unterschiedliche Auswirkung von Alkohol je nach Tageszeit den Umständen geschuldet. Es hängt davon ab, in welchen Situationen man trinkt, welche Getränke man wählt und was bzw. wie viel man dazu isst, sagt Pabst. Dazu kommen noch Faktoren wie Geschlecht und Gewicht, die mit darüber entscheiden, wie schnell und wie gut man Alkohol abbaut. Das führt dazu, dass sich selbst die gleiche Menge an Alkohol unterschiedlich auswirken kann.

Und einen körperlichen Grund für den veränderten Abbau dürfte es tatsächlich geben, vermutet Pabst: "Die Enzymaktivitäten unterliegen chronobiologischen Schwankungen. Das Enzym Alkoholdehydrogenase, das in der Leber den Alkohol abbaut, steht morgens noch nicht in so großer Menge zur Verfügung wie abends. Den Prosecco zum Frühstück auf nüchternen Magen spürt man da natürlich anders als ein Glas Wein nach dem Abendessen."

Alkohol ist für viele außerdem eine Frage der Geselligkeit. Und gerade das Feiern, sei es der Brunch mit Freunden oder auch der runde Geburtstag eines Familienmitglieds, animiert dazu, Alkoholhaltiges eher nebenher zu konsumieren. Sekt und Wein werden laufend nachgeschenkt, ein Aperitif und ein Digestif sind fast schon selbstverständlich. Man trinkt dabei außerdem über einen längeren Zeitraum, und auch wenn man das Gefühl hat, man habe doch gar nicht so viel getrunken, kann man leicht den Überblick über die tatsächliche Menge verlieren. "Isst man dann beim Feiern auch noch üppig, bleibt der Alkohol länger im Magen und wird langsamer abgebaut. Der Körper ist schließlich auch mit der Verstoffwechslung der Mahlzeiten beschäftigt", weiß Pabst.

Man trinkt zu wenig

Dazu kommt, dass man in der Sonne – oder auch nur bei heißen Temperaturen – mehr Flüssigkeit durch Schwitzen verliert. Gleichzeitig trinken viele weniger Wasser, weil der Durst ja mit Alkohol gestillt wird. Alkohol hemmt aber das Vasopressin, ein Hormon, das den Wasserhaushalt reguliert. Der Körper beginnt zu dehydrieren, und wer dann weiter statt Wasser Alkohol trinkt, wird die typischen Katersymptome wie Kopfschmerzen, eventuell Übelkeit oder Müdigkeit schneller spüren.

Und auch die Verträglichkeit ist eine andere. Tagsüber greift man tendenziell eher zu Getränken wie Prosecco, Aperol Spritz oder Rotwein. Die können bei empfindlichen Personen aber durchaus die Magenschleimhaut reizen und zu einer Histaminüberreaktion führen. Denn durch den Alkohol wird das histaminabbauende Enzym gehemmt. Dadurch bleibt das Histamin länger im Körper, das kann wiederum das Katergefühl verlängern – es ist ein richtiger Teufelskreis. So ein Zuviel an Histamin spürt man eben als Unwohlsein, Hitzegefühl oder Kopfweh.

Natürlich machen auch die typischen Abendgetränke, Spirituosen wie Wodka oder Gin, ein Katergefühl, vor allem, weil ihr Alkoholgehalt wesentlich höher ist. Aber klare Schnäpse enthalten viel weniger Histamin. Der wichtigste Tipp gegen den Kater, betont Pabst, ist aber: "Genug Wasser trinken. Vor, während und nach dem Alkoholkonsum." Füllt man den Magen zwischendurch mit Wasser, wird man auch automatisch weniger Alkoholisches konsumieren.

Wenn der Hangover zuschlägt

Und es gibt einen weiteren Punkt, der uns so nicht bewusst ist: Praktisch jeder Alkohol enthält neben dem Trinkalkohol Ethanol auch Methanol in geringen Anteilen. Ethanol ist in erster Linie für die berauschende Wirkung verantwortlich, Methanol wirkt im Körper toxisch. Beide entstehen bei Vergärung bzw. Destillation von Alkohol und unterscheiden sich in ihrer chemischen Struktur nur geringfügig.

Verantwortlich für die Katerstimmung ist vor allem Methanol mit seiner toxischen Wirkung, erklärt die Ernährungswissenschafterin Marlies Gruber, Geschäftsführerin des Forums Ernährung Heute. "Ethanol und Methanol werden von den gleichen Enzymen metabolisiert, nämlich Alkohol-Dehydrogenase und Aldehyd-Dehydrogenase. Die Stoffwechselendprodukte sind jedoch unterschiedlich." Beim Methanol-Abbau entstehen Formaldehyd und Ameisensäure, sie sind toxisch und können in höheren Dosen sogar zu Erblindung und Tod führen. Methanol bleibt auch länger im Blut als Ethanol, denn es wird langsamer und erst nach dem Ethanol abgebaut, weil Ethanol den Methanol-Stoffwechsel hemmt.

Trinkt man also über einen längeren Zeitraum, wird permanent Ethanol nachgeliefert, man "wärmt" den Rausch immer wieder auf und Methanol wird gar nicht erst abgebaut. Das könnte der Grund sein, warum das "Aufwärmen" vorübergehend als angenehmer empfunden wird, als die alkoholischen Konsequenzen durchzustehen, vermutet Gruber.

Einen Vorteil könnte Daytime-Drinking katertechnisch allerdings haben: Wenn man rechtzeitig damit aufhört, baut sich der Alkohol im Blut bis zum Schlafengehen bereits wieder völlig ab – und man hat eine ungestörte und erholsame Nachtruhe.

Wenn die Psyche durchhängt

Und abgesehen von den körperlichen Folgen spricht natürlich auch die Psyche noch ein Wörtchen mit. Das mag paradox klingen, immerhin assoziiert man Daytime-Drinking mit Genuss und Geselligkeit, es ist quasi eine kleine Auszeit und steht für das ultimative Urlaubsfeeling. Doch Teil eines Hangovers ist auch ein psychisch labilerer Zustand, im angelsächsischen Raum wurde dafür der Begriff "Hangxiety" geprägt. Während man nach einem abendlichen Rausch diesen psychischen Tiefpunkt womöglich verschläft, kann er sich bei Alkohol untertags bereits am Abend bemerkbar machen – und so zum stärkeren Hangover beitragen.

All dieser Tatsachen sollte man sich bewusst sein, wenn man zum entspannten Gläschen untertags greift, das gehört zu verantwortungsvollem Konsum dazu, betont Ernährungswissenschafterin Pabst: "Ich will Alkohol nicht verteufeln, er ist ein Genussmittel. Aber man muss sich bewusst sein, dass er in großer Sommerhitze schneller und deutlich stärker wirkt."

Sie wehrt sich außerdem gegen Gruppenzwang: "Genauso wie nicht jeder Sachertorte mag, schmeckt auch nicht jedem Alkohol. Es ist bedenklich, dass in Österreich jemand, der keinen Alkohol mag, fast schon als Außenseiter wahrgenommen wird." Dabei gibt es viele köstliche alkoholfreie Drink-Alternativen. Ohnehin sollte man nicht aus Gewohnheit oder zu Belohnung trinken. "Bemerkt man das bei sich selbst oder auch bei anderen, darf man durchaus an eine Suchtproblematik denken und auch Hilfe suchen. Alkohol ist und bleibt ein Zellgift, das Wahrnehmung und Reaktion beeinflusst." Und ob man das wirklich zulassen möchte, sollte man verantwortungsvoll und vor allem bewusst entscheiden. (Pia Kruckenhauser, 15.8.2023)